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IX

VORWORT DER GRABUNGSLEITUNG EPHESOS

Als im Jahr 1955 Franz Miltner im Zuge einer Begehung des Antikengeländes auf einen »aus dem Erdreich
ragenden Stumpf einer Säule mit herzförmigem Querschnitt« stieß, war der Grundstein für die Entdeckung
des politischen Zentrums von Ephesos gelegt. Bald erbrachten die hier gefundenen epigrafischen Zeugnisse
den Nachweis dafür, in dem freigelegten Objekt den Kultkomplex für Hestia Boulaia zu erkennen und diesen
mit dem Prytaneion der Stadt zu verbinden. Der Höhepunkt der Grabungsarbeiten war zweifelsohne mit der
Entdeckung der Artemisstatuen erreicht, deren ursprüngliche Aufstellung die Bedeutung des Prytaneions
im Rahmen offiziell-städtischer Kulthandlungen bekräftigt.
Es ist Wilhelm Alzinger zu verdanken, die einzelnen Gebäude am Südfuß des Panayırdağ in einen grö-
ßeren Kontext gestellt und übergreifend interpretiert zu haben. Seinen überzeugenden Argumenten zufolge
lag hier das Regierungsviertel - der sog. Staatsmarkt oder die obere Agora - von Ephesos, während die in
der Hafenebene gelegene untere Agora primär Handelsaktivitäten vorbehalten war. Zudem konnte Alzinger
für den sog. Staatsmarkt ein frühkaiserzeitliches Bauprogramm erschließen, dem allerdings ältere, in den
Hellenismus zu datierende Bauaktivitäten vorausgegangen waren.
Wie zahlreiche andere von Franz Miltner zügig ausgegrabene Gebäude blieb auch das Prytaneion im
Detail unpubliziert. Dieses Desiderat wird durch die nun vorliegende Publikation geschlossen. Im Rahmen
eines vom FWF geförderten Projektes erfolgte eine kontextuelle Neubearbeitung des Gebäudes, im Zuge
derer auch gezielte Grabungen durchgeführt wurden. Dadurch war es einerseits möglich, die Bauzeit des
Gebäudes exakt zu definieren, andererseits eine etwaige Vorgängerbebauung auszuschließen. Die Masse an
Fundkeramik des 3.-1. Jahrhunderts v. Chr. in den augusteischen Planierschichten lässt aber zweifelsohne
die Schlussfolgerung zu, dass das Areal in hellenistischer Zeit intensiv genutzt wurde. Eine genaue Analyse
des Baubefundes führte zu einem neuen, überzeugenden Rekonstruktionsvorschlag, der speziell in der Frage
der Dachlösung deutlich von älteren Entwürfen abweicht. Mit einer Einbettung des ephesischen Monuments
in den bekannten, vergleichbaren Denkmälerbestand und einer Diskussion der in der Forschung postulierten
Prytaneia geht die Publikation weit über eine Materialvorlage hinaus. Die minutiöse Aufarbeitung der Gra-
bungsdokumentation erlaubte wiederum Neuinterpretationen zu den Fundumständen der Artemisstatuen und
den daraus resultierenden Diskussionen über den Umgang mit kaiserzeitlicher Skulptur in der Spätantike.
Die Publikation zeigt aber auch ganz deutlich die Grenzen der Bearbeitung eines bereits vor Jahrzehnten mit
anderen Fragestellungen und Methoden freigelegten Monuments auf. Gerade für die späteren Phasen sowie
die häufig mit einem Funktionswandel verbundenen Nachnutzungen ließen sich nur wenige gesicherte und
zudem aussagekräftige Befunde fassen. Umso bedeutender ist allerdings der Nachweis einer Nutzung des
Areals in den Dark Ages (7.-9. Jahrhundert), die bislang in Ephesos kaum belegt sind.
Martin Steskal hat mit bewundernswert zielorientierter Energie nicht nur die wissenschaftliche Bearbei-
tung des Prytaneions, sondern auch die Projektkoordination übernommen und diese zu einem zeitgerechten
Abschluss gebracht. Für die Bearbeitung von Einzelaspekten bzw. Materialgruppen konnten neben der
Keramikanalyse die Kolleginnen und Kollegen Nicole Μ. High, Matthias Pfisterer und Georg A. Plattner
gewonnen werden. Die am Österreichischen Archäologischen Institut durchgeführte Redaktion lag in den
Händen von Barbara Beck-Brandt und Andrea Μ. Pülz, die Tafelvorlagen und die Bildbearbeitung erfolgten
durch Nicolas Gail und Nicola Math. Ihnen allen sei ganz herzlich gedankt. Die Österreichische Akademie
der Wissenschaften hat das Manuskript dankenswerterweise in ihr Publikationsprogramm aufgenommen,
den Gutachtern der ÖAW sowie des Scientific Board der Reihe »Forschungen in Ephesos« verdanken die
Autorinnen und Autoren wichtige Anmerkungen und Hinweise. Letztendlich ist aber dem FWF sowie dem
BMWF für maßgebliche Druckkostenzuschüsse Dank auszusprechen, wodurch die Publikation des Manu-
skripts erst ermöglicht wurde.

Selçuk, im Juni 2010

Sabine Ladstätter
 
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