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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Kolloquium zu Fragen der Theorie und Methodik der Industriellen Formgestaltung — 7 Teil 1.1983

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Nagy, Mária Éva: Die Rolle der Gesellschaftswissenschaften in der Ausbildung von Formgestaltern
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https://doi.org/10.11588/diglit.30599#0132

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Zu diesem Vortrag bekam ich erste Impulse von den Studenten
unserer Hochschuleo Eine sympathische Textilentwerferin sagte
mir zum Beispiel folgendes:- "Als ich einmal aufs Land gefahren
bin, habe ich selbst erfahren, daß die Doppelbetten in dörfli-
chen Häusern tatsächlich gewebte Decken mit "türkischen" Mustern
haben." Wie kann diese Studentin entwerfen, wenn ihre Kenntnis-
se über das dörfliche Leben auf ein zufälliges pörsönliches
Erlebnis beschränkt sind? 46 <k der ungarischen Bevölkerung lebt
auf dem Dorf. Die Argumentation einer anderen Studentin zeigt
ähnliche Unwissenheit. Sie beklagte, daß der Handel die von
ihr entworfenen Textilien nicht bestellt habe, obwohl sie
meint: "Wer bei mir diese Textilien gesehen hat, dem gefallen
sie." Ist es aber ein ausreichendes Argument für die Serien-
fertigung, daß ein Entwurf allen Bekannten des Entwerfers ge-
fällt? Die durch allgemeine Ästhetik und Soziologie vermittel-
ten Kenntnisse sind zu allgemein und die persönlichen Erfah-
rungen sind zufällig.

Es ist allgemein bekannt, daß die Burchsetzung der Eormgestal-
tung fast reibungslos bei den Produktionsmitteln, bei den elek-
trischen Haushaltsmaschinen usw. erfolgt. Ihre Durchsetzung
verwirklichte sich aber langsamer und widerspruchsvoll, oft
durch die Verständnislosigkeit der Konsumenten behindert,bei
Möbeln und bei Glas- und Porzellanwaren, bei Wohnraumtextilien
und Bekleidung. Die bürgerliche Ästhetik erklärt diese Erschei-
nung damit, daß in der Wertstruktur der zuerst erwähnten Pro-
dukte der praktische Wert dominiert, während in den zuletzt
erwähnten Produkten neben dem praktischen Wert auch der ästhe-
tische, der kommunikative und der repräsentative Wert eine
wesentliche Rolle spielen. Welche Stellung nimmt nun die mar-
xistische Ästhetik zu diesen Pragen ein? Was sagt sie über
Autobusse, G-läser und Dekostoffe? Hat ein Produkt einen reprä-
sentativen Wert auch unter unseren Produktionsverhältnissen?

In den Abhandlungen der marxistischen. Ästhetik verweist viel-
leicht je ein halber Satz auf die Lösung dieser Prage; wir
finden aber keine ausführliche Darlegung. Obwohl die marxisti-
sche Ästhetik betont, daß die Ästhetik nicht die Philosophie
der schönen Künste sei, daß das Ästhetische nicht nur in der

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