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Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern [Hrsg.]; Württembergischer Altertumsverein [Hrsg.]; Württembergischer Anthropologischer Verein [Hrsg.]; Württembergischer Geschichts- und Altertumsverein [Hrsg.]
Fundberichte aus Schwaben — 15.1907

DOI Heft:
Paläolithische Zeit
DOI Artikel:
Schmidt, Robert Rudolf: Der Sirgenstein und die eisenzeitlichen Kulturepochen Schwabens
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.43783#0008
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Paläolithisehe Zeit.
Der Sirgenstein und die eiszeitlichen Kulturepochen Schwabens.
Von Dr. Rob. Rud. Schmidt, Tübingen.
(Mit 3 Tafeln: 1 Karte, 1 Fundtafel und 1 Profil.)
Das älteste Dokument, das uns vom Menschendasein kündet, ist der Stein.
Schon im Tertiär, nach Rutot bereits im mittleren Oligocän, bediente sich der
Mensch des Steines, roh, wie er ihn fand; diese Aera nennen wir das Eolithicum.
Erst wie unser Stern neuen Schicksalen entgegen geht, wie die große nordische
und alpine Vereisung hereinbricht, beginnt die Kultur des Steines, d. h. der
Mensch formt den Stein, wie er ihm am passendsten erscheint; so entsteht eine
Steinindustrie, das Palaeolithicum, dessen Formen und technische Prozeduren
inr Laufe der Jahrtausende einer Entwicklung, einem Wechsel des Geschmackes,
einem Stil unterworfen sind. An diesen „Stil“, der durch ganz bestimmte
archäologische. Leitformen charakterisiert wird, erkennen wir die einzelnen
Kulturepochen, die in einem bestimmten Zusammenhang mit den klimatischen
Schwankungen während der Diluvialepoche stehen.
Deutschland stand zur Zeit des hochentwickelten westlichen Palaeo-
lithicums unter dem weit strengeren Regiment der Vereisung, und nur ein
schmaler Landstreifen zwischen der nordischen und alpinen Vereisung gab Raum
für ein dürftiges Jägerleben. Die paläolithischen Jäger drangen bis an den Rand
der Vereisung, im Norden bis nach Taubach bei Weimar, im Süden bis nach dem
schwäbischen Schussenried vor. Wir finden ihre Spuren an den Rändern der
hoeligeschwellten Flußläufe des Rheins, der Lahn, der Donau und des Neckars.
Jedoch alle diese Spuren menschlichen Daseins aus der Eiszeit ergaben bisher
keinen lückenlosen Aufbau des altsteinzeitlichen Kulturgebäudes.
Die höhlenreiche Alb, die großen Weiden ihrer Hochfläche waren für den
Aufenthalt des diluvialen Lebens wohl geeignet, und die meisten paläolithischen
Funde deutschen Bodens entstammen diesem Gebiet. Der Ruf aus dem Westen,
die Nachricht von Kulturen längst entschwundener Zeiten, hatten auch bei der
wissenschaftlichen Welt unseres Landes befruchteten Widerhall gefunden. Vor
allem war es in den 70er und 80er Jahren 0. Fraas , welcher seine Nach-
forschungen hielt und die Schussenquelle, den Hohlefels und die Ofnet entdeckte.
Andere folgten später seinem Beispiele, und die Bocksteinhöhle u. a. bereicherten
unsere Forschungen, soweit es die damalige stratigraphische Praxis erlaubte.
Neue stratigraphische Beobachtungen liegen mir heute aus einer Reihe
altsteinzeitlicher Kulturstätten vor, welche ich bei meinen Ausgrabungen1 der
letzten Jahre gewann. Von Herrn Prof. v. Koken, welcher schon früher sein
Augenmerk auf die paläolithischen Vorkommnisse in Schwaben gelenkt hatte,
erhielt ich bei meinen Unternehmungen lebhafte Anregung und Unterstützung;
er war es, welcher mich zuerst auf die Umgebung von Hütten bei Schelklingen
aufmerksam machte. Seine Vermutung, daß es sich hier um einen Unterschlupf
altsteinzeitlicher Horden handelte, konnte ich durch meine Ausgrabungen be-

1 Die neuen Ausgrabungen sind zusammengefaßt in: Die diluvialen Kultur-
stätten Deutschlands. Geologisch-faunistischer Teil, Prof. E. Koken ; Archäo-
logischer Teil, Dr. Rob. Rud. Schmidt. Erscheint im Schweizerbart’schen Verlag,
Stuttgart.
 
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