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4.4 Zusammenfassung

4.3.4 Abschließende Bemerkungen zur Kontroverse

Wie bei jedem neuen Forschungsgegenstand sind in der Anfangszeit bis zur Eta-
blierung erster Standards Debatten über den Gegenstand selbst wie auch über die
richtige Art, ihn zu erforschen, selbstverständlich und notwendig. Selbstverständ-
lich, weil die scientific Community sich erst einmal Klarheit darüber verschaffen
will, worum es denn bei »dem Neuen« geht; notwendig, weil erst im dialektischen
Widerstreit verschiedener Positionen neue Wege sichtbar werden.

Genau dies ist auch im Feld des Umgangs mit komplexen Problemen geschehen.
Dabei war die Bestimmung des Gegenstands die leichtere und unstrittigere Auf-
gabe, wohingegen über die angemessenen Forschungsmethoden weniger leicht
Konsens herzustellen ist. Anstatt hier einen der diskutierten Zugänge herauszuhe-
ben, scheint mir eine liberale Position - wie so oft - erstrebenswert. Auf die Frage,
welche der verschiedenen Zugangsweisen zu bevorzugen sei, muss die Antwort
wohl lauten: Idealerweise sollten alle Zugänge zum Gegenstand ausgeschöpft
werden!

Dieser pluralistische Standpunkt steht in Einklang mit den Vorschlägen von
Sternberg und Grigorenko (2001), die - in anderem Kontext - für eine »unified
psychology« eintreten und hinsichtlich der dafür einzusetzenden Methoden wie
folgt argumentieren (S. 1072 f.): »The truth is that no method will provide a
panacea: Different methods have different advantages and disadvantages, and,
by using multiple methods, one capitalizes on the strengths of the methods while
helping to minimize the effects of their weaknesses«.

4.4 Zusammenfassung

Dieses Kapitel behandelt Paradigmen und Befunde zum Lösen komplexer Prob-
leme. Deren zentrale Eigenschaften, die sich deutlich von denjenigen einfacher
Probleme abheben, lassen sich auf die systeminhärenten Merkmale Vernetztheit
und Dynamik sowie auf die untersuchungsabhängig variierbaren Merkmale In-
transparenz und Polytelie kondensieren (siehe Kapitel 4.1).

Ein Blick in die Geschichte dieses jungen Forschungszweigs zeigt in Europa zwei
unterschiedliche Zugänge zum komplexen Problemlösen: einmal die differenzial-
psychologisch motivierte Suche nach interindividuellen Unterschieden, zum ande-
ren die allgemeinpsychologisch motivierte Suche nach wichtigen Eigenschaften
dynamischer Systeme und deren Auswirkungen auf den Problemlöseprozess. Beide
Zugänge ergänzen einander (siehe Kapitel 4.2).

Die zum Erkenntnisgewinn notwendige Methodik ist durchaus kontrovers dis-
kutiert worden in der Auseinandersetzung um kondensierendes bzw. dissoziieren-
des Vorgehen: Während die Kondensation eine Vereinfachung unter Beibehaltung
wichtiger Komponenten bedeutet (»holzschnittartiges Abbild«), ist das dissoziie-
rende Vorgehen analytisch und richtet sich auf Details unter Vernachlässigung des
Ganzen. Eng damit verbunden ist die Frage, ob das Lösen komplexer Probleme
experimentell untersuchbar sei. Die Quintessenz dieser Debatte läuft auf einen

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