2 EINLEITUNG. DER ORIENT
neuen Reiche zwar vor1, doch nur als Ausnahmen. Geringe weiche Steine odet Thon mit
Glasur und weiches Metall waren die üblichen Materialien für die Siegel. Und diese bestanden
wie bemerkt, alle Zeit hindurch mir aus Symbolen, Schrift oder Ornament; figürliche Bilder
blieben ganz seltene Ausnahmen. Die seit der ausgebildeten Kunst des alten Reiches, also seit
der vierten Dynastie herrschende Form der Siegel ist die durchbohrter viereckiger oder o-e-
rundeter Plättchen; die letzteren tragen zumeist auf der Ruckseite das erhaben ausgeführte
Bild des Käfers, des „Skarabäus", des Symboles des Sonnengottes. Eines Einflusses der
ägyptischen Siegel auf die griechischen werden wir später noch zu gedenken haben. Genauere
Betrachtung der relativ so unbedeutenden ägyptischen Glyptik verlohnt sich uns hier nicht.
Um so mehr aber verdient die babylonische unsere volle Aufmerksamkeit.
Eine ungeheure Menge orientalischer Siegel ist uns noch erhalten; sie sind wissen-
schaftlich noch lange nicht genügend verarbeitet; doch stehen die Grundzüge der Entwickelung
fest.2 Unsere Tafel I giebt eine freilich nur sehr kleine Auswahl von hervorragenden Stücken
aus der ältesten chaldäischen bis in die Achämenidenzeit Persiens hinein. Die Bilder befinden
sich alle auf jener schon in der ägyptischen Urzeit beobachteten, im Orient aber von Anfang
bis zu Ende herrschenden Form eines durchbohrten Cylinders, dessen Bild beim Abdrücken
aufgerollt ward. Diese Form hatte nicht nur den Vorteil am bequemsten beim Tragen zu
sein, sondern auch den, die größtmögliche Fläche für ein zusammenhängendes Bild mit geringster
Ausdehnung zu vereinigen.
Die Erfindung des cylinderförmigen gravierten Siegels gehört indes, soviel wir sehen
können, der älteren vorsemitischen Bevölkerung Chakläas, den Sumeriern an. Von diesen
übernahmen sie, wie auch die Schritt und Kunst überhaupt, die allmählich von Norden nach-
rückenden Semiten.
Man hat geglaubt, die Anfänge der Cylindergravierung in gewissen sehr roh und
flüchtig gearbeiteten, inschriftlosen, nur mit Ornamenten, Tieren oder sinnlosen roh skizzierten
Figuren gefüllten Stücken zu sehen. Es ist in der That sehr wahrscheinlich, dass unter den
zahlreichen erhaltenen Cylindern dieser Art auch wirklich primitive, den ältesten Zeiten an-
gehörige sind; allein dies wird nicht ohne eingehende Untersuchungen nachzuweisen sein; die
bisher gemachten Zusammenstellungen enthalten einen Teil sicher später Stücke3; andere sind
nur geringe Vertreter auch sonst bekannter älterer Gattungen und andere wieder barbarische
Nachahmungen der babylonischen Cylinder; überall aber fehlt noch der Nachweis, dass diese
rohen Produkte älter wären, als die ältesten mit Schrift versehenen sorgfältig ausgeführten Stücke.
Es ist indes auch nicht auffallend, dass diese schon einen hohen Kulturgrad und aus-
gebildete Kunstfertigkeit verratenden Arbeiten für uns am Anfange stehen. Die notwendige
Voraussetzung, ohne welche die Sitte des Gravierens von Siegelbildern in harten Steinen gar
nicht entstehen konnte, ist ja eine gewisse hohe Kultur. Diese Leute müssen längst ihr
Schriftsystem, ihren Kunststil und ihre Bildertypen an weicheren vergänglichen Materialien
1 Zwei sollen schöne Beispiele sind abgebildet bei Perrot-Chipiez, bist, de l'art nnt. I, \\g. 496—499 und Babelon, In gravnre
en pierrcs fines, p. 3Sf. Vgl. auch Minant, glyptiquc oricnl. II, p. 193 IT.
'- Einen guten Anfuiij» li;il Mätum genin.cht in seinem Werke Reeliei-clies sah l.i sjlyplüiiie Orientale, ~ Bde., 1 ans
1SS3. iSSG,
3 Mitlaut, ßlypt. or. I p. 45IT. „monuments arebaiques" und Collection De Clerq, pl. I—IV; Text p. 35""- „cylindres
mchaiques". Bommel, Geschichte Babylon. 11, Assyr,, S. 38a und Tafel. Perrot-Chipiez, bist, de l'iwt II, p. *>7" Babelon, gravure
en pierrcs fines p. 41 IT. Der ntl letzterem Orte als der KUostcn chalda'ischen Zeit ungehörig abgebildete Cylinder Fig. 14 ist '•■ !*■ e,n
geringes spHt assyrisches StUCkl Vgl. ferner unten S. 0, Anm. 3 und S. 12 mit Anm. 2.
neuen Reiche zwar vor1, doch nur als Ausnahmen. Geringe weiche Steine odet Thon mit
Glasur und weiches Metall waren die üblichen Materialien für die Siegel. Und diese bestanden
wie bemerkt, alle Zeit hindurch mir aus Symbolen, Schrift oder Ornament; figürliche Bilder
blieben ganz seltene Ausnahmen. Die seit der ausgebildeten Kunst des alten Reiches, also seit
der vierten Dynastie herrschende Form der Siegel ist die durchbohrter viereckiger oder o-e-
rundeter Plättchen; die letzteren tragen zumeist auf der Ruckseite das erhaben ausgeführte
Bild des Käfers, des „Skarabäus", des Symboles des Sonnengottes. Eines Einflusses der
ägyptischen Siegel auf die griechischen werden wir später noch zu gedenken haben. Genauere
Betrachtung der relativ so unbedeutenden ägyptischen Glyptik verlohnt sich uns hier nicht.
Um so mehr aber verdient die babylonische unsere volle Aufmerksamkeit.
Eine ungeheure Menge orientalischer Siegel ist uns noch erhalten; sie sind wissen-
schaftlich noch lange nicht genügend verarbeitet; doch stehen die Grundzüge der Entwickelung
fest.2 Unsere Tafel I giebt eine freilich nur sehr kleine Auswahl von hervorragenden Stücken
aus der ältesten chaldäischen bis in die Achämenidenzeit Persiens hinein. Die Bilder befinden
sich alle auf jener schon in der ägyptischen Urzeit beobachteten, im Orient aber von Anfang
bis zu Ende herrschenden Form eines durchbohrten Cylinders, dessen Bild beim Abdrücken
aufgerollt ward. Diese Form hatte nicht nur den Vorteil am bequemsten beim Tragen zu
sein, sondern auch den, die größtmögliche Fläche für ein zusammenhängendes Bild mit geringster
Ausdehnung zu vereinigen.
Die Erfindung des cylinderförmigen gravierten Siegels gehört indes, soviel wir sehen
können, der älteren vorsemitischen Bevölkerung Chakläas, den Sumeriern an. Von diesen
übernahmen sie, wie auch die Schritt und Kunst überhaupt, die allmählich von Norden nach-
rückenden Semiten.
Man hat geglaubt, die Anfänge der Cylindergravierung in gewissen sehr roh und
flüchtig gearbeiteten, inschriftlosen, nur mit Ornamenten, Tieren oder sinnlosen roh skizzierten
Figuren gefüllten Stücken zu sehen. Es ist in der That sehr wahrscheinlich, dass unter den
zahlreichen erhaltenen Cylindern dieser Art auch wirklich primitive, den ältesten Zeiten an-
gehörige sind; allein dies wird nicht ohne eingehende Untersuchungen nachzuweisen sein; die
bisher gemachten Zusammenstellungen enthalten einen Teil sicher später Stücke3; andere sind
nur geringe Vertreter auch sonst bekannter älterer Gattungen und andere wieder barbarische
Nachahmungen der babylonischen Cylinder; überall aber fehlt noch der Nachweis, dass diese
rohen Produkte älter wären, als die ältesten mit Schrift versehenen sorgfältig ausgeführten Stücke.
Es ist indes auch nicht auffallend, dass diese schon einen hohen Kulturgrad und aus-
gebildete Kunstfertigkeit verratenden Arbeiten für uns am Anfange stehen. Die notwendige
Voraussetzung, ohne welche die Sitte des Gravierens von Siegelbildern in harten Steinen gar
nicht entstehen konnte, ist ja eine gewisse hohe Kultur. Diese Leute müssen längst ihr
Schriftsystem, ihren Kunststil und ihre Bildertypen an weicheren vergänglichen Materialien
1 Zwei sollen schöne Beispiele sind abgebildet bei Perrot-Chipiez, bist, de l'art nnt. I, \\g. 496—499 und Babelon, In gravnre
en pierrcs fines, p. 3Sf. Vgl. auch Minant, glyptiquc oricnl. II, p. 193 IT.
'- Einen guten Anfuiij» li;il Mätum genin.cht in seinem Werke Reeliei-clies sah l.i sjlyplüiiie Orientale, ~ Bde., 1 ans
1SS3. iSSG,
3 Mitlaut, ßlypt. or. I p. 45IT. „monuments arebaiques" und Collection De Clerq, pl. I—IV; Text p. 35""- „cylindres
mchaiques". Bommel, Geschichte Babylon. 11, Assyr,, S. 38a und Tafel. Perrot-Chipiez, bist, de l'iwt II, p. *>7" Babelon, gravure
en pierrcs fines p. 41 IT. Der ntl letzterem Orte als der KUostcn chalda'ischen Zeit ungehörig abgebildete Cylinder Fig. 14 ist '•■ !*■ e,n
geringes spHt assyrisches StUCkl Vgl. ferner unten S. 0, Anm. 3 und S. 12 mit Anm. 2.