NEUNZEHNTES JAHRHUNDERT 383
thaten sich besonders Cacles Odelli und Girometti (1780—1851) hervor. Der Italiener
Calandrelli arbeitete in Berlin, benutzte aber seine Geschicklichkeit ebenfalls auch zu Fälschungen,
die in den vierziger Jahren selbst in das Berliner Museum drangen (Berlin No. 9349—9362).
Tommaso Cades in Rom hat das Verdienst, eine grosse Abdrucksammlung angelegt und
zum Verkauf gebracht zu haben (vgl. unten im Abschnitte über die Litteratur).
In dieser fand zum letzten Male das Interesse und die Freude an der in den Gemmen
uns erhaltenen Fülle von Geist und Schönheit ihren Ausdruck. Bald kümmerten sich aber selbst
die Berufensten nicht mehr darum, Man wollte die reine echte Antike der alten griechischen
Zeit. Die Masse von Fälschungen, welche sich im Laufe der letzten hundert Jahre mit den
griechisch-römischen Gemmen vermengt und ihre reine Flut getrübt hatten, bewirkte, dass
man von der ganzen Klasse von Denkmälern nichts mehr wissen wollte. Wahrend Lippert's
unendlich geringere und kleinere Abdrucksammlung in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahr-
hunderts eine ungeheure Verbreitung und Wirkung gehabt hat, ist Cades' vortreffliche grosse
Sammlung selbst von den Gelehrten nur ganz spärlich und wenig, von weiteren kunstliebenden
Kreisen gar nicht benutzt worden.
So endet die Geschichte der Glyptik. Ob diese edle Kunst je wieder eine neue Be-
lebung erfahren wird? Der hohe Aufschwung der Kunst des Medailleurs, den wir erlebt haben,
möchte es vermuten und hoffen lassen. Jene Bahn des Antikisiercns freilich, auf welcher die
Glyptik in das Betrügen und Fälschen und von da in rapiden Verfall geraten war, würde sie
dann gewiss völlig verlassen. Ob sie aber eigene neue Wege rinden wird?
2. Ueberblick über die in der antiken Glyptik verwendeten Steinarten und die
Technik ihrer Bearbeitung.
Obwohl wir bei Betrachtung jeder Epoche auf die von der Glyptik derselben vorzugs-
weise verwendeten Materialien, sowie auf die Art ihrer Bearbeitung aufmerksam gemacht
haben, mag es dem Leser doch nicht unerwünscht sein, hier in einem Anhange einen zu-
sammenfassenden Ueberblick über die wichtigsten der von den Alten verwendeten Steinarten
und über die Technik ihrer Glyptik zu finden.
Wir beabsichtigen durchaus nicht die ganze Masse der uns aus dem Altertum über-
lieferten Bezeichnungen von edeln Steinen zu behandeln und sie mit den wirklichen Steinen
und deren modemer wissenschaftlicher Bezeichnung zu identifizieren — eine Aufgabe, die
übrigens in den meisten Fällen nur hypothetisch, in sehr vielen gar nicht gelöst werden kann —;
wir brauchen uns dies Ziel schon deshalb nicht zu stellen, weil von dem grösseren Teile der
uns aus dem Altertum genannten Arten von ,,gemmae''1 es weder überliefert noch irgend wahr-
scheinlich ist, dass sie zu glyptischer Arbeit, d. h. zu eingeschnittener figürlicher Darstellung
verwendet worden wären. Was das Altertum an sehr vielen Steinarten allein interessierte, waren
die ihnen zugeschriebenen heilkräftigen und magischen Eigenschaften. Auch hat das Alter-
tum offenbar häufig blosse Varietäten derselben Steinart mit ganz verschiedenen Namen belegt.
So wenig wir auf diese Fragen und auf die erhaltene reiche antike und mittelalterliche Litteratur
über die Steine und ihre Eigenschaften1 hier eingehen können, so fern Hegt es uns auch die
* Eine neue Snmmlimg der aiiliken lim) iiiiucbUerlkilieii l^uhWii'U is: im Kvidicincn: V. de Melv, li-.s lipidnires de l'anti-
quite" et'du moyen ;"ige, vol. I les Inpidaires cliinois, 1S96; vol. II, les lapidaires grCM, i. fnsc, 1S9S.
thaten sich besonders Cacles Odelli und Girometti (1780—1851) hervor. Der Italiener
Calandrelli arbeitete in Berlin, benutzte aber seine Geschicklichkeit ebenfalls auch zu Fälschungen,
die in den vierziger Jahren selbst in das Berliner Museum drangen (Berlin No. 9349—9362).
Tommaso Cades in Rom hat das Verdienst, eine grosse Abdrucksammlung angelegt und
zum Verkauf gebracht zu haben (vgl. unten im Abschnitte über die Litteratur).
In dieser fand zum letzten Male das Interesse und die Freude an der in den Gemmen
uns erhaltenen Fülle von Geist und Schönheit ihren Ausdruck. Bald kümmerten sich aber selbst
die Berufensten nicht mehr darum, Man wollte die reine echte Antike der alten griechischen
Zeit. Die Masse von Fälschungen, welche sich im Laufe der letzten hundert Jahre mit den
griechisch-römischen Gemmen vermengt und ihre reine Flut getrübt hatten, bewirkte, dass
man von der ganzen Klasse von Denkmälern nichts mehr wissen wollte. Wahrend Lippert's
unendlich geringere und kleinere Abdrucksammlung in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahr-
hunderts eine ungeheure Verbreitung und Wirkung gehabt hat, ist Cades' vortreffliche grosse
Sammlung selbst von den Gelehrten nur ganz spärlich und wenig, von weiteren kunstliebenden
Kreisen gar nicht benutzt worden.
So endet die Geschichte der Glyptik. Ob diese edle Kunst je wieder eine neue Be-
lebung erfahren wird? Der hohe Aufschwung der Kunst des Medailleurs, den wir erlebt haben,
möchte es vermuten und hoffen lassen. Jene Bahn des Antikisiercns freilich, auf welcher die
Glyptik in das Betrügen und Fälschen und von da in rapiden Verfall geraten war, würde sie
dann gewiss völlig verlassen. Ob sie aber eigene neue Wege rinden wird?
2. Ueberblick über die in der antiken Glyptik verwendeten Steinarten und die
Technik ihrer Bearbeitung.
Obwohl wir bei Betrachtung jeder Epoche auf die von der Glyptik derselben vorzugs-
weise verwendeten Materialien, sowie auf die Art ihrer Bearbeitung aufmerksam gemacht
haben, mag es dem Leser doch nicht unerwünscht sein, hier in einem Anhange einen zu-
sammenfassenden Ueberblick über die wichtigsten der von den Alten verwendeten Steinarten
und über die Technik ihrer Glyptik zu finden.
Wir beabsichtigen durchaus nicht die ganze Masse der uns aus dem Altertum über-
lieferten Bezeichnungen von edeln Steinen zu behandeln und sie mit den wirklichen Steinen
und deren modemer wissenschaftlicher Bezeichnung zu identifizieren — eine Aufgabe, die
übrigens in den meisten Fällen nur hypothetisch, in sehr vielen gar nicht gelöst werden kann —;
wir brauchen uns dies Ziel schon deshalb nicht zu stellen, weil von dem grösseren Teile der
uns aus dem Altertum genannten Arten von ,,gemmae''1 es weder überliefert noch irgend wahr-
scheinlich ist, dass sie zu glyptischer Arbeit, d. h. zu eingeschnittener figürlicher Darstellung
verwendet worden wären. Was das Altertum an sehr vielen Steinarten allein interessierte, waren
die ihnen zugeschriebenen heilkräftigen und magischen Eigenschaften. Auch hat das Alter-
tum offenbar häufig blosse Varietäten derselben Steinart mit ganz verschiedenen Namen belegt.
So wenig wir auf diese Fragen und auf die erhaltene reiche antike und mittelalterliche Litteratur
über die Steine und ihre Eigenschaften1 hier eingehen können, so fern Hegt es uns auch die
* Eine neue Snmmlimg der aiiliken lim) iiiiucbUerlkilieii l^uhWii'U is: im Kvidicincn: V. de Melv, li-.s lipidnires de l'anti-
quite" et'du moyen ;"ige, vol. I les Inpidaires cliinois, 1S96; vol. II, les lapidaires grCM, i. fnsc, 1S9S.