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Furtwängler, Adolf
Die antiken Gemmen: Geschichte der Steinschneidekunst im Klassischen Altertum (Band 3): Geschichte der Steinschneidekunst im Klassischen Altertum — Leipzig und Berlin, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.825#0081
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DRITTER ABSCHNITT.

Der Ausgang des Mittelalters. Das siebente Jahrhundert.
(Tafel V. VI, 22. 23. 25. 26. 34. LXI, 4—7.)

Das Dunkel, das über der alteren griechischen Geschichte liegt, lichtet sich im siebenten
Jahrhundert zusehends. In immer deutlicheren Umrissen treten die einzelnen Staaten heraus;
wir werden individuelle bunte Mannigfaltigkeit der Kultur gewahr, wo vordem einförmige
Gleichmässigkek herrschte. Die Hellenen haben sich weithin ausgebreitet und sind überall in
siegreichem Vordringen. Der Verkehr hat sich ausserordentlich gesteigert. Das Geld wird
erfunden, in dem sich ebenso die Bedeutung wie die Mannigfaltigkeit der neuen Staatengebilde
der freien Bürgergemeinden spiegelt. Es erheben sich Tempel und andere der OefFentlichkeit
gewidmete Bauten, und mit ihnen tritt der freie Bürger den hohen Adelsgeschlechtern gegen-
über allmählich in den Vordergrund.

Durch Reichtum und Macht allen anderen voraus üben die Griechen Kleinasiens,
speziell die sich Ionier nannten, den tiefgreifendsten Einlluss auf die übrigen Hellenen. In der
ganzen Kultur und Kunst des siebenten Jahrhunderts ist der von den loniern ausgehende
Strom bei weitem der stärkste. Dies bedeutete den Sieg des orientalisierenden Stiles in
Griechenland. Die Aufnahme- und Anpassungsfähigkeit der Ionier, und vor allem die Leere,
welche durch die Invasion des geometrischen Stiles entstanden war, führten zu einem begierigen
Aufsaugen der orientalischen Kunstelemente, die auf verschiedenen Wegen eindrangen. Die
Ionier hatten direkte Verbindungen mit Assyrien. Im Norden mündete bei der milesischen
Kolonie Sinope ein solcher Weg, auf dem Assyrisches unmittelbar zu den Griechen kam.1
Im Süden, in Kilikien erfolgte sogar ein kriegerischer Zusammenstoss der Griechen und Assyrer
in der Zeit um 700. Weiter im Südosten ist die Verbindung mit Aegypten das entscheidende
Element. Im stetigen Wetteifer mit den Phönikern haben die Ionier hier die ägyptische Kunst
sich nutzbar zu machen gestrebt, auch hier zunächst durch einfache Nachahmung, dann durch
freiere Verarbeitung.

1 Ein gutes Beispiel sind die zunächst ganz von assyrischen Vorbildern kopierten Kessel mit Greifenköpfen mul geflügelten

menschlichen Büsten, die sehr wahrscheinlich von Sinope her sich verbreiteten. Ich habe über sie und ihre Herkunft niisl'iihrlU-tier
in einem der Exkurse zu Olympin Bd. IV, die Bronzen, 1890 gehandelt, die ich 11 rspranglich filr jenen Band bestimmt hatte und die ich
später vorlegen zu können hoffe (vgl. S. 5S, 1). — E. Meyer, Gesch. d. Alterth. 11, S. 455 hat die Verbindung über Sinope richtig
erkannt, wie er sagt, „trotz des Schweigens der Denkmäler"; die Denkmäler schweigen jilier glücklicherweise keineswegs.
 
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