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Furtwängler, Adolf
Die antiken Gemmen: Geschichte der Steinschneidekunst im Klassischen Altertum (Band 3): Geschichte der Steinschneidekunst im Klassischen Altertum — Leipzig und Berlin, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.825#0014
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EINLEITUNG.

Der Orient.
(Tafel I.)

Es gilt für die Glyptik in Griechenland in ungleich höherem Maasse als für andere
Kunstzweigej dass die Anfänge nur im Zusammenhange mit der älteren Kunst des Orientes
recht zu begreifen und zu würdigen sind. Denn die Glyptik, das Schneiden von Bildern in
harten edeln Steinen, ist nicht eine bei den Völkern so allgemeine, gleichsam selbstverständ-
liche Kunst wie das Ritzen und Bemalen des Thones oder das Schneiden des Holzes. Die
Glyptik ist keine der spontan, überall wo Menschen einen gewissen Kulturgrad erreichen, auf-
blühenden Künste. Sie scheint, genauer besehen, überhaupt nur eine einzige ursprüngliche
Heimat zu haben, auf welche sich alle anderen Fälle ihres Auftretens mehr oder weniger
direkt zurückführen lassen, das ist — Babylonien.

Die ältesten Denkmäler der Glyptik in Aegypten setzen doch bereits noch ältere in
Babylonien voraus und sind einer der wichtigsten Beweise dafür, dass die Aegypter von Osten
her, im Besitze gewisser mit den babylonischen übereinstimmender Kulturelemente, in das Nil-
thal eingewandert sind. Jene ältesten Denkmäler sind bei den neueren Ausgrabungen in den
der ägyptischen Urzeit, der Zeit unmittelbar nach der Einwanderung angehangen Königsgräbern
gefundene Thonabdrücke von Siegeln, welche dieselbe Cylinderform hatten, die in Babylonien
alle Zeit die herrschende blieb1; das Siegel des Menes, des ersten ägyptischen Königs, war
ein Cylinder. In Aegypten ist der Gebrauch der Siegelcylinder nur der Urzeit charakteristisch;
schon seit der vierten Dynastie wird hier der der ältesten Zeit ganz unbekannte Skarabäus
die herrschende Siegelform; der Cylinder kommt zwar bis zum mittleren Reich noch vor, aber
ganz vereinzelt und selten.2 Schon jene Cylinder der ägyptischen Urzeit zeigen indes nur
Symbole, zumeist nur hieroglyphische Schrift, und dieser der künstlerischen Darstellung ab-
geneigte Charakter des Siegels bleibt in Aegypten alle Zeit hindurch bestehen.

So kommt es, class die Glyptik in Aegypten niemals eine hohe Stellung eingenommen
hat; Siegelbilder in harten edeln Steinen sind hier ganz selten; sie kommen im mittleren und

1 J. de Morgan, recherches sur ks origines de l'Egypte, ethnogr. prehistor., Paris 1S97, p. 1671V. Abdrücke von sechs
Cyliiidern aus dem Königsgrab von Negadn; der eine p. 169, Fig. 5Ö0, der Tiere und GeiälsduUen darstellt, isl gewissen frtdibaby-
loiiLscheii Cyliiidern besonders verwandl. Aus nmieren Gräbern der Epoche p. 235. 243. 344, Ein Cylinder, dessen Kund tun stämlc
unbekannt sind, mit rollen Tier- und Menschenleren im Museum zu Gizeli, p, 257, Fig. 857- Vgl, zu diesen Cyliiidern auch
A. J. Evans im Jouni. of hell. stud. iS97, !>■ 3Öjlf. Hier sind p. 364 noch zwei dem Gizeh-Cylinder verwandte Stucke gegeben;
Evans siebt in ihnen gewiss mit Recht Arbeiten der libyschen Urbevölkerung, die mit Resten ältester Sgäischer Kultur zu-
sammenhängen.

• So nach Jctpiier bei de Morgan a. a. O. p. 256. Vgl. auch Pctrie, hisinry of Egypt l, p. 55.
 
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