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Furtwängler, Adolf
Die antiken Gemmen: Geschichte der Steinschneidekunst im Klassischen Altertum (Band 3): Geschichte der Steinschneidekunst im Klassischen Altertum — Leipzig und Berlin, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.825#0224
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KOPFE. TIERE. — RÜCKBLICK

griechischen Sagen selbst, nicht bloss eine Kenntnis von griechischen Bildern, die ohne jene
ja den Etruskern auch im verstand Heb gewesen wären, in Etrurien bestanden haben. Und eine
grosse Anzahl von Sagendarstellungen auf etruskischen Bildwerken — mehr noch auf den
Spiegeln und Urnen als auf den Skarabaen —■ sind eben aus dieser Kenntnis ohne Vorbilder
frei geschaffen. Diese Kenntnis aber war nicht anders als durch die der griechischen Dichtung
möglich. Man muss daher vermuten, dass die Etrusker Uebersetzungen aus dem griechischen
Epos und später auch aus der Tragödie besassen und also auch hierin i\e\\ Römern durchaus
vorangingen.1

Von der einmal angeeigneten Kenntnis fremder Sage nun machte der etruskische
Künstler natürlich auch gerne Gebrauch. Während die Darstellungen der Gemmen bei den
Griechen, den Besitzern und Schöpfern der Sage, meistens gar nicht aus dieser, sondern aus
Natur und Leben gegriffen sind, so verschmäht der Etrusker dergleichen Bedeutungsloses,
das ihm viel zu „ungebildet" erscheint, und verwendet mit Eifer die fremde Sage, die er
lernend sich angeeignet. Für die Wirklichkeit, die ihn umgiebt, hat er wenig Sinn; er sieht
sie nicht, er lebt in seinen griechischen Idealen. Dafür war er eben ein „Gebildeter".

Die etruskische Glyptik beginnt erst gegen Ende des sechsten Jahrhunderts; sie er-
reicht ihre höchste Blüte in der ersten Hälfte des fünften, zusammen mit dem Bronzeguss
feiner Statuetten und Geräte und mit der Herstellung von goldenen Schmucksachen; denn
auch diese haben in jener Epoche eine nie wieder erzielte Höhe der Vollendung erreicht.
In diesen Kunstgattungen haben die Etrusker damals auch ihre Lehrmeister, die Griechen
selbst übertroffen, nicht was Erfindung, wohl aber was Subtilität feinster Ausführung anlangt.
Die Glyptik entwickelt sich noch eine Zeit lang bis in die erste Hälfte des vierten Jahr-
hunderts weiter. Sie erlebt keinen so starken Abfall wie die Gattung der kleinen Bronzen
und des Goldschmuckes, die mit Eintritt des freien Stiles verhältnismässig plump und reizlos
werden; aber auch unter den Skarabaen ist trotz einzelner vortrefflicher Arbeiten doch mit
der weichen, vollen, runden Formgebung auch der Reiz, den die sauberste Vollendung in dem
knappen strengen Stile bot, dahin. Eine handwerklich-rohe Manier, die der Rundperlgattung,
gewinnt im vierten Jahrhundert die Herrschaft, und aus ihr entstand zuletzt als Rückschlag
ein affektiert altertümlicher und klassizistischer Stil. Doch diese Entwicklung spielt sich
nicht mehr allein innerhalb der Grenzen Etruriens ab: die Glyptik wird von den südlich be-
nachbarten italischen Stämmen, den Latinern und vermutlich auch Samniten aufgenommen und
auf etruskischer Basis weiter geführt. Diese italischen Produkte des vierten Jahrhunderts sind
von den etruskischen noch nicht scharf zu scheiden, weshalb wir sie mit diesen zusammen
betrachtet haben. Doch vom dritten Jahrhundert an, wo die engere etruskische Glyptik auf-
hört, treten jene weiteren italischen und speziell die römischen Gemmen deutlich heraus. Ihnen
gilt unser folgender Abschnitt.

I Rt-du schon Nii-lmhr, i

151 f. Bb

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