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Furtwängler, Adolf
Die antiken Gemmen: Geschichte der Steinschneidekunst im Klassischen Altertum (Band 3): Geschichte der Steinschneidekunst im Klassischen Altertum — Leipzig und Berlin, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.825#0373
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36o X. DIE SPÄTERE KAISERZEIT UND DAS ENDE DER ANTIKEN GLYPTIK

geben (vgl. oben S. 311), Bei den Steinen ist es zunächst weniger deutlich, da wir hier
immer noch einige Porträts aus dem zweiten und dritten Jahrhundert besitzen, die vermuten
liessen, dass auch von den vielen vortrefflichen anderen „griechisch-römischen" Steinen ein
guter Teil in jene Jahrhunderte gehöre. Dem ist aber nicht so. Diese guten Arbeiten, die
wir im vorigen Abschnitte betrachtet haben, hängen so unter sich zusammen und sind so mit
tausend Fäden an die augusteische Epoche und die nächstfolgende frühere Kaiserzeit geknüpft,
dass wir hier unmöglich einige aus der geschlossenen Gruppe willkürlich herausgreifen und
später datieren können. Auch müssten wir doch, wenn sie existierten, Gruppen hervorragender
Arbeiten des zweiten und des dritten Jahrhunderts immerhin erkennen können; sie müssten
sich manifestieren und bei aufmerksamem Studium des uns Erhaltenen dem suchenden Blicke
sich nicht entziehen können. Allein sie finden sich nicht. Und wenn man einmal glaubt, eine
Spur gefunden zu haben, so erweist sie sich als trügerisch. Der Stein Tafel XLIII, 37 z. B.
gleicht so sehr einem Medaillon des Kaisers Commodus (Brit. Mus., rom. medall. pl. 34;
Fröhner, nnidaülons rom. p. 145), dass man zunächst daran denkt, ihn in dessen Zeit zu setzen;
allein bei genauerem Zusehen ist jener Stein so eng verknüpft und offenbar zeitgenössisch
einem des Pamphilos, und dieser hängt wieder so mit Dioskurides und seinem Kreise zusammen,
dass wir hier nichts herauslösen können. Das Medaillon des Commodus kopiert eben einfach
ein älteres Vorbild, wie das ja damals gewöhnlich geschah; in der That ist es auch nicht
mehr als ein schwaches Abbild jener herrlichen glyptischen Arbeit.

Bei näherer Ueberlegung finden wir aber auch, dass der schon gegen Ende des
ersten Jahrhunderts eintretende sichere Verfall der Glaspastentechnik den Verfall der Glyptik
überhaupt zur notwendigen Voraussetzung hat. Warum sollte man denn mit der billigen
Reproduktion schöner Steine aufgehört haben, wenn nicht diese auch aufhörten und das
Interesse an solchen Arbeiten verschwunden war?

Offenbar sind die gravierten Steine als vornehmer Schmuck aus der Mode gekommen.
Die Nachrichten über den üppigen Luxus, den man mit ungeschnittenen edeln Steinen und
Perlen trieb, häufen und steigern sich im späteren Altertum. Dieser Luxus findet seinen
Höhepunkt dann in konstantinischer und byzantinischer Zeit, und das sich anschliessende
Mittelalter bietet die regelrechte Fortsetzung desselben. Dieser Luxus, der immer mehr an der
Gemme nur das Material achtet, musste die Sitte des Gravierens der zum Schmuck bestimmten
Prunksteine mehr und mehr zurückdrängen. So blieb den Graveuren nur das Gebrauchs-
siegel; dieses aber höheren künstlerischen Anforderungen entsprechend zu gestalten, dazu gehört
ein intensiv die Kunst liebendes und Kunst kennendes Publikum. Das aber ist es gerade, was
der späteren Kaiserzeit fehlte. Das echte Kennertum und das warme Interesse an künstlerischen
Dingen ist abgestorben. Nur die Phrase, das hohle Reden über Kunst, erfreut sicli neuer Blüte.

Interessant ist das zeitliche Zusammentreffen des Verfalles der Glyptik mit dem der
Toreutik und der dieser folgenden arretinischen Vasen: wie diese Denkmälergattungen in ihrer
Blüte eng verbunden sind, so auch in ihrem Verfall.

Wie verkehrt es war, wenn man zuweilen einige der Porträtkameen der iulisch-claudischen
Dynastie in das vierte nachchristliche Jahrhundert hat setzen wollen, haben wir schon früher
zu bemerken Gelegenheit gehabt. Es sind diese Zuteilungen mit vollkommenster Willkür,
ohne jede Kenntnis der wirklichen Entwickelt!ng der Glyptik gemacht worden.'

1 Die Abhandlung von Wieseler „Über einige beachtenswerte geschnittene Steine dos vierten Jabrh. n. Chr." in den Abhandl.
d. Göuinger Ges. d. Wiss. !id. 30, 1SS3; lad. 31, 1SS4 und lid. 32, 1SS5 ist bei ;.)Ier Gelehrsamkeit für die Geschichte der Glyptik
 
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