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Vorbemerkung

Im Februar 1986 fragte ich mich während eines Besuches der Uffizien in
Florenz vor Dosso Dossis "Stregoneria" (Abb.62), was dieses mit
seltsamen Figuren gefüllte Gemälde wohl bedeuten solle. Dossos Bilder
wurden oft als träumerisch, zauberhaft und geheimnisvoll bezeichnet.' Vor
dem Gemälde in den Uffizien stellten sich mir jedoch handfeste Probleme:
Warum wird gelacht? Weshalb hält der Jüngling einen Spinnrocken in der
Hand? Wer ist der halbnackte Alte im Vordergrund und was tut er? Wieso
haben sich die zahlreichen Figuren überhaupt versammelt? Die später zu
Rate gezogene kunsthistorische Literatur bot keine überzeugende
Erklärung. Nach ersten eigenen Spekulationen zum Symbolgehalt der
Bildbestandteile suchte ich nach ähnlichen Darstellungen in der
italienischen Kunst, um meine Vermutungen zu überprüfen. Die formal
und inhaltlich verwandten Vergleichsbeispiele aus dem ersten Drittel des
16. Jahrhunderts bildeten eine Gattung von Gemälden, für die mir im
Laufe der letzten Jahre kein besserer Name als "komödienhafte Bilder"
eingefallen ist. Um die Neuartigkeit dieser Gemälde wurden die früheren
Beispiele bildlicher Komik in der italienischen Kunst der Renaissance
untersucht. Dossos "Stregoneria" rückte dabei an das Ende der
Untersuchungen, die sie ausgelöst hatte.
Den Faden, den ich bei meinen Nachforschungen meist als letzten in
Händen hielt, war der Motivstrang des Gelächters, der eng verwoben ist
mit dem des Lasters und der Liebe. Angesichts der Unemsthaftigkeit dieser
Forschungsgegenstände bin ich Herrn Prof. Dr. H. Holländer (Aachen) für
sein ausdauerndes und hilfreiches Wohlwollen dankbar, ebenso Herrn Prof.
Dr. F.-R. Hausmann (Freiburg i.Br.), der mit einem bereits
fortgeschrittenen Zustand der "Spaßhaftigkeit" konfrontiert wurde. Er ließ
sich von vielen Detailfragen nicht an grundsätzlicher, fruchtbarer Kritik

'Vgl. B. Berenson (1952), S.204: "In seinen Gestalten drückt sich Leidenschaft, drückt
sich Geheimnis aus. Man sollte seine Bilder nicht zu lange und nicht zu oft anschauen,
wenn man ihnen aber gegenübertritt, wird man einen Augenblick lang mit Entzücken
den Hauch einer Märchenwelt verspüren." Noch im Ausstellungskatalog Wien (1994),
S.421, heißt es: "Wie immer bei Dosso taucht der Betrachter sofort in eine mysteriöse,
geheimnisvolle Welt ein, die ihn gefangen hält, die es zu ergründen gilt." Rudolf
Wittkower sagte einmal mit Bezug auf Giorgione, was für die ganze giorgioneske
Malerei gilt: "Wenn man sich der Literatur über Giorgione zuwendet, hört man das
Wort 'Geheimnis' mit einer geradezu langweiligen Häufigkeit" (R. Wittkower [1968]).
S. Settis (1983), S.47ff., versammelt im Abschnitt zur "Werkstatt der Exegeten"
Beispiele, die zeigen, wie aus solchen Stimmungsschilderungen historische
Fehleinschätzungen erwachsen können.

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