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Exkurs: Kontinuitäten und Brüche

Der Romanist Paolo Orvieto bemerkte zur komischen Literatur im
ausgehenden Quattrocento:
"Gerade aufgrund der komischen Funktion, d.h. wegen ihrer
UnWichtigkeit im literarischen Zusammenhang, ist die Entwicklung
der Gattung komischer Gedichte charakteristisch für Randliteratur:
nicht linear, sondern 'entwickelt aus der Akkumulation um einen
ursprünglichen Kern herum, durch Wiederholung, Erweiterung,
Übersetzung von letztlich festgelegten Motiven'.'"^
Ebenso entwickelte sich die bildliche Komik in Italien. Die festgestellte
Uneinheitlichkeit komischer Grafik bis ins 16. Jahrhundert erklärt sich
dann nicht nur als Folge einer höchst fragmentarischen Quellenlage. Die
Randstellung erheiternder Darstellungen und die geringe Wertschätzung der
Zeitgenossen führten nicht nur zu einem weitgehenden Verlust der
lächerlichen Bilder, sondern verhinderten auch das Entstehen einer
spezifischen Bildtradition. Künstler vor und um 1500 scheinen ähnlich wie
Schriftsteller mit den immergleichen "Archetypen" der Komik gearbeitet zu
haben: Häßliche, Alte, Dumme, Lüsterne und Gierige. Deren
Zusammenstellung wurde jeweils 'ad hoc' variiert. Diese Gebrauchskunst
improvisierte vor allem über das Motiv des Paares "mal assort!", das
Gelegenheit bot, beinahe den vollständigen Katalog körperlicher und
seelischer Deformierungen einzusetzen. Die Neuformulierungen Leonardos
wurden nur als Erweiterung des Repertoires herangezogen. Eine
Auseinandersetzung mit Leonardos künstlerischem Problem - der
komischen Erzählung im Bild, die über die Zerlegung, Neukombination
oder Wiederholung der geläufigen Versatzstücke hinausging - läßt sich
nicht feststellen.
Mit den komödienhaften Gemälden trat im zweiten Jahrzehnt des 16.
Jahrhunderts eine grundsätzliche Änderung ein. Zoan Andreas Stiche
(Abb.17 und 18) und Agostino Venezianos Komposition von 1516
(Abb.l2a) sind Nachzügler des Quattrocento. Sie weisen allerdings
Parallelen zu venezianischen Bildern auf/''" Die Szenen mit

^P. Orvieto - unter Rückgriff auf eine Formulierung D. de Robertis - in der Einleitung
zu 'La beca' in L. Pulci (1986), S.138: "Proprio per la funzione comica, quindi per la
marginalitä nel contesto letterario, lo svillupo del genere e quello caratteristico della
paraletteratura, non lineare, ma 'svillupatosi dunque per accumulazione intorno a un
nucleo primitivo, ripetizione, amplificazione, volgarizzazione di motivi ormai definin'."
^'Vgl. Bernardino Licinios "Ungleiche Paare" (Abb.27 und 28), das Gemälde Aitobello
Melonis (Abb.37a) in Dresden oder Giovanni Carianis Bild in Hampton Court

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