Welche Verbindungen bestehen zwischen der komischen Malerei des
ersten Drittels und den "pitture ridicole" aus dem letzten Viertel des 16.
Jahrhunderts?^" Kopien als "ikonographische Transportmittel" wurden in
Kapitel III und IV erwähnt. Für die venezianische Malerei läßt sich dies
bei den im späteren 16. Jahrhundert und im 17. Jahrhundert tätigen Malern
Niccolö Frangipane, 11 Padovanino und Pietro della Vecchia belegen.^'
Interessante neue Ansätze finden sich um die Jahrhundertmitte im
Jugendwerk der Cremonenserin Sofonisba Anguissola.^" Für die Tochter
aus vornehmen Hause verboten sich erotische Themen, doch die
"Defekt-Komik" einiger Halbfigurenkompositiönen weist auf ihre
Beziehung zur komödienhaften Bildgattung hin. Die Komposition der
"Wieder zum Kind gewordenen Alten, die ein Mädchen zum Lachen
bringt" (La vecchia rimbambita muove riso alia fanciuletta)^" überliefert
ein zeitgenössischer Stich. Das den Betrachter anblickene, lachende
Mädchen deutet auf eine alte Frau mit ABC-Tafel. Es handelt sich um eine
an die Lebensumgebung der Künstlerin angepasste Version der
Seneca-Sentenz: "Turpis et ridicula est res elementarius senex; iuveni
parandum, seni utendum est."^ Mit diesem Bild hängt die bekannte
Zeichnung Sofonisba Anguissolas mit einem "Jungen, von einem Krebs
gekniffen" zusammen (Gabinetto dei Disegni e Stampe, Museo di
^°Zu den "pitture ridicole" vgl. B. Wind (1974) und die dort angegebene Literatur.
^'Vgl. N. Ivanoff (1956), U. Ruggieri (1988), besonders Abb.36, Abb.l68f, und die
Arbeiten von B. W. Meijer (1972) und B. W. Meijer (1972/73).
^Vgl. Ausstellungskatalog Cremona (1985), S.171-73 (M. Gregori); siehe M.
Haraszti-Takäcs (1969) und M. Haraszti-Takäcs (1983), S.44f et passim.
^Ausstellungskatalog Cremona (1985), Kat.-Nr. 3.17, S.331 (Stich von Jacob Bos),
und M. Haraszti-Takäcs (1969), PI.520, Nr.2, S.759. Vgl. die Zeichnung "Vecchia che
studia l'alfabeto ed e derisa da una bambina", Gabinetto dei Disegni e Stampe, Florenz
(Ausstellungskatalog Cremona [1985], Kat.-Nr. 2.12.2, S.301).
^Seneca, "Ad Lucilium epistulae morales", 36,4 (Eine häßliche und lächerliche Sache
ist ein Greis als ABC-Schütze; dem Jungen gebührt es zu lernen, dem Alten das
Gelernte anzuwenden); zitiert nach J. A. Burrow (1986), S.151 (vgl. S.151ff. zur
Rezeption der Sentenz bis zu Montaigne). Daß das Lachen bei Anguissoia durch einen
Dekorum-Verstoß ausgelöst wird, hat gleichfalls H. Miedema (1981), S.208, vermerkt.
Als paralleler Verstoß kann gelten, wenn alte Menschen wieder laufen lernen. Vgl. den
Stich von A. Veneziano (?) "Anchora inparo" von 1538 (G. Vasari [1906], Bd.6, S.38f,
S.27, und A. Blake Smith [1967]).
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ersten Drittels und den "pitture ridicole" aus dem letzten Viertel des 16.
Jahrhunderts?^" Kopien als "ikonographische Transportmittel" wurden in
Kapitel III und IV erwähnt. Für die venezianische Malerei läßt sich dies
bei den im späteren 16. Jahrhundert und im 17. Jahrhundert tätigen Malern
Niccolö Frangipane, 11 Padovanino und Pietro della Vecchia belegen.^'
Interessante neue Ansätze finden sich um die Jahrhundertmitte im
Jugendwerk der Cremonenserin Sofonisba Anguissola.^" Für die Tochter
aus vornehmen Hause verboten sich erotische Themen, doch die
"Defekt-Komik" einiger Halbfigurenkompositiönen weist auf ihre
Beziehung zur komödienhaften Bildgattung hin. Die Komposition der
"Wieder zum Kind gewordenen Alten, die ein Mädchen zum Lachen
bringt" (La vecchia rimbambita muove riso alia fanciuletta)^" überliefert
ein zeitgenössischer Stich. Das den Betrachter anblickene, lachende
Mädchen deutet auf eine alte Frau mit ABC-Tafel. Es handelt sich um eine
an die Lebensumgebung der Künstlerin angepasste Version der
Seneca-Sentenz: "Turpis et ridicula est res elementarius senex; iuveni
parandum, seni utendum est."^ Mit diesem Bild hängt die bekannte
Zeichnung Sofonisba Anguissolas mit einem "Jungen, von einem Krebs
gekniffen" zusammen (Gabinetto dei Disegni e Stampe, Museo di
^°Zu den "pitture ridicole" vgl. B. Wind (1974) und die dort angegebene Literatur.
^'Vgl. N. Ivanoff (1956), U. Ruggieri (1988), besonders Abb.36, Abb.l68f, und die
Arbeiten von B. W. Meijer (1972) und B. W. Meijer (1972/73).
^Vgl. Ausstellungskatalog Cremona (1985), S.171-73 (M. Gregori); siehe M.
Haraszti-Takäcs (1969) und M. Haraszti-Takäcs (1983), S.44f et passim.
^Ausstellungskatalog Cremona (1985), Kat.-Nr. 3.17, S.331 (Stich von Jacob Bos),
und M. Haraszti-Takäcs (1969), PI.520, Nr.2, S.759. Vgl. die Zeichnung "Vecchia che
studia l'alfabeto ed e derisa da una bambina", Gabinetto dei Disegni e Stampe, Florenz
(Ausstellungskatalog Cremona [1985], Kat.-Nr. 2.12.2, S.301).
^Seneca, "Ad Lucilium epistulae morales", 36,4 (Eine häßliche und lächerliche Sache
ist ein Greis als ABC-Schütze; dem Jungen gebührt es zu lernen, dem Alten das
Gelernte anzuwenden); zitiert nach J. A. Burrow (1986), S.151 (vgl. S.151ff. zur
Rezeption der Sentenz bis zu Montaigne). Daß das Lachen bei Anguissoia durch einen
Dekorum-Verstoß ausgelöst wird, hat gleichfalls H. Miedema (1981), S.208, vermerkt.
Als paralleler Verstoß kann gelten, wenn alte Menschen wieder laufen lernen. Vgl. den
Stich von A. Veneziano (?) "Anchora inparo" von 1538 (G. Vasari [1906], Bd.6, S.38f,
S.27, und A. Blake Smith [1967]).
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