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Gerhard, Eduard
Auserlesene Griechische Vasenbilder, hauptsächlich Etruskischen Fundorts (Band 3): Heroenbilder, meistens homerisch — Berlin, 1847

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https://doi.org/10.11588/diglit.24597#0024
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16

TAFEL CLIII. CLIV.

(eien Schiffes, vor welchem ein ähnlich bewaffneter bärtiger Held, vielleicht
Jason, steht, versichert uns überdies, dafs ein Abenteuer der Argonauten-
fahrt hier dargestellt sein möge, und läfst uns zunächst den Schlüssel zum
Yerständnifs dieses Bilds in demjenigen Sagenkreis suchen, in welchem die
Kraft der Boreaden sich vorzüglich glänzend bekundete, im Sagenkreise
des Phineus, der auch den Kunstdenkmälern keineswegs fremd ist (3). Da
überdies, wie in der Sage des Phineus (4), ein älterer Mann im Streit mit
zwei Jünglingen oder doch im Gegensatz zu denselben, den Mittelpunkt
unsres Bildes ausmacht, so kann man versucht sein, auch ohne buchstäbliche
Uebereinstiinmung mit den noch vorhandenen mythischen Zeugnissen die
gegenwärtige Darstellung jenem Mythos anzupassen, wird jedoch eine Mifs-
handlung des blinden Sehers dabei voraussetzen müssen, die dem Charak-
ters der Sage sich keineswegs fügt(5), und wird daher besser thun, hier
den Mythos des Amykos mit uns zu erkennen.

Durch den Augenschein wird diese Deutung uns allerdings nicht nahe
gelegt. Vom Faustkampf, welcher den wilden Bebryker, Poseidons Sohn (c),
zum Besiegten des Polydeukes machte, ist keine Andeutung hier zu finden;
wohl aber stimmt ein andres entschieden darauf bezügliches Kunstwerk,

Spiegel II, 172) sind daher eher für Dioskuren zu
halten als für Boreaden, bis Beispiele tingeflügel-
ter Boreaden, vielleicht mit Hülfe der Ficoroni-
sclien Cista (Anm. 11.), sich jiachweisen lassen.

(J) Die Zeugnisse über Phineus (Apollod. III,
15, 3. Apoll. Rhod. II, 178. 237. Schob Diod.
IV, 43. 44. Orph. Arg. 669 ff. Valer. Flacc. IV,
477 ff.) sind gesichtet vom Duc de Luynes (Ann.
d. Inst. XV p. 3 ff.). Seine Befreiung von den
Harpyien ist dargestellt auf zwei Vasenbildern,
einem athenischen (Millingen Uned. 1, 15. Sta-
ckelberg Gräber d. Hell. Taf. XXXIII) und einem
apulischen der Jatta’schen Sammlung (Mon. d.
Inst. III, 49). Vorbilder fanden sich am amykläi-
schen Thron und am Kasten des Kypselos (Paus.
III, 18. 9. V. 17 extr.)

(*) Auf Antrieb der Stiefmutter hatte Phineus
die Söhne getüdtet (Diod. IV. 44. Orph. Arg. 671)
oder gegeifselt und eingegraben, worauf die Ar-
gonauten sie retteten (Diod. IV, 43. Cf. Apollod.
III, 15, 3. Schob Ap. Rhod. II, 207), oder auch

geblendet (Soph. Antig. 973), wofür Boreas und
die Argonauten (Apollod. I, 9, 21. III, 15, 3) ihn
selbst blendeten. Dieser letzteren Sage entspre-
chend heifst es, die Boreaden oder Asklepios hätten
ihnen das Gesicht wieder gegeben (Orph. Arg. 674.
Schob Pind. Pyth. XIII, 98).

(5) Aufser der durch die Götter ihm auferleg-
ten Blendung wird erzählt, Phineus sei für Gei-
fselung und Eingrabung seiner Söhne von den
Argonauten bekriegt und durch Herakles getödtet
worden; so Diodor. (IV, 43.44) übereinstim-
mend mit Dionysos iv roTs läQyovavrai-s (Schob
Ap. Rhod. II, 207). Mit dieser Wendung des
Mythos würde es dann allerdings unvereinbar sein,
in unserm Vasenbild eine Form desselben ver -
muthen zu wollen, laut welcher Phineus ein ähn-
liches Geschick von seinen Söhnen erlitten habe,
wie er durch Geifselung es ihnen bereitete.

(6) Amykos: Apollod. I, 9, 20. II, 5, 9. Theocr.
XXII, 44 ss, Ap. Rliod. II, 1 ss. Orph. Arg. 656,
Valer. Flacc. IV, 148 ss.
 
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