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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (1. HeftTheil 2, 6. Band, 1. Heft): Historische Darstellung der Entwickelung des Baustils — Stuttgart: Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.67517#0050
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brauche jenes Landes und leitete fie, um dem Könige zu gefallen, von welchen
Arbeiten ich einft ein Buch in Monte Sanfovino bei feinen Erben fah . . .« 51).
Unter den Skizzen Leonardo da Vinci's, befindet fich der Grundrifs eines Schloffes
an der Strafse nach Amboife (fiehe Fig. 16), welches in der allgemeinen Anlage, in
der Anordnung der Rundthürme an den Ecken und neben den in der Hauptaxe ge-
legenen Thoren mit der franzöfifchen Anordnung am Schlofs Le Verger (fiehe Fig. 17)
fehr nahe verwandt ift. Aus den Worten Stia und Stieno, die fich in den Notizen
Leonardo'^ vorfinden, geht hervor, dafs es fich um einen Entwurf handelt. Da die
Hauptabmeffungen des Hofes in runden Zahlen von 80 und 120 Braccia und in
italienifchem Mafs angegeben find, fo darf angenommen werden, dafs Leonardo
felbft der Verfaffer des Entwurfes war. Wir fehen fomit, wie fogar der gröfste
italienifche Meifter in Frankreich genöthigt war, in verfchiedenen Punkten fich den
dafelbft üblichen Anordnungen anzufchliefsen, während er z. B. für die Treppen
die italienifche Lage vorfchlug und fie nicht etwa als Wendeltreppen in Thürme hinein-
legte, welche zu jener Zeit faft überall an den inneren Ecken der Höfe in letztere
vorfpringen. Da die Anlage des Hauptfchloffes von Leonardo ganz fymmetrifch
ift, fo ift fchwer zu fagen, ob der Hof mit den Stallungen, ähnlich wie im Schlofs
Le Verger und in anderen franzöfifchen Schlöffern, vorn oder rückwärts liegen
follte; die darauf folgende Anlage, ebenfalls zum Theile von Gräben umfchloffen,
füllte wohl einen von Portiken umgebenen Garten bilden. Bemerkenswerth ift das
grofse Becken, welches mittels Sitzen an drei Seiten mindeftens zu einer Art
Naumachia für nautifchen Sport angeordnet ift52).
Endlich mag als weiterer Beweis dafür, dafs bei jedem Eindringen eines neuen
Bauftils in ein fremdes Land Compromiffe nothwendig find, an die bekannten Werke
des berühmten Arißotele Fioravante in Moskau erinnert werden; der einzige Unter-
fchied zwifchen diefen und einem Werke der Stile Ludwig XII. oder Franz I.
befteht darin, dafs dort das einheimifche Element der Mifchung das Byzantinifch-
perfifche war. In der Schweiz, in Deutfchland, in England etc. begegnet man eben-
falls dem gleichen Princip der Compromiffe; fie liegen eben in der Natur der Dinge.

3. Kapitel.
Verfchiedenartigkeit des italienifchen Einfluffes auf die franzöfifche
Renaiffance.
Ueberall ift es das Beftreben unteres Jahrhundertes gewefen, für den Antheil,
den das nordifche Temperament an der Entwickelung der weft-europäifchen Archi-
tektur feit der Völkerwanderung gehabt hat, die gebührende Anerkennung zu

•jl) Siehe. Vasari. Vita di Andrea Sanfovino. IV, S. 514. Attefo anco Andrea . . . ad alcune cofo ßrawaganti
e difficili d’architettura, focondo l'ufo di quel paefo, per comßiacere al re ...
Facf. abgebildet in: Geymüller, H. v. Leonardo da Vinci as architect in: J. P. Richter'’s Literary zuorks of
Leonardo da Vinci > Bd. II, Bl. 81. London 1883. — Die Anmerkungen Leonardo^ find, wie üblich, von rechts nach links
gefchrieben. Bei A fteht: Gioßre colle navi cioe li gwßranti jtieno foßra le navi, fofol braccia 40; gegenüber den rück-
wärtigen Eckthürmen fteht bei a\ in a angolo ßia la guardia della ßalla, bei b im Graben: fofoa 40 und daneben längs
des Grabens : Strada da Amboifo.
Handbuch der Architektur. II. 6. 3

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Ueberficht.
 
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