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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Contr.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (1. HeftTheil 2, 6. Band, 1. Heft): Historische Darstellung der Entwickelung des Baustils — Stuttgart: Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.67517#0075
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58

vollftändige und überzeugende Schilderung diefer Verhältniffe und der Nachweis des
intimen Zufammenhanges der franzöfifchen und der italienifchen Architektur würde
für fich allein eine Monographie von bedeutendem Umfange beanfpruchen.
Es fei defshalb hauptfächlich nur auf diejenigen Stellen des vorliegenden
Bandes verwiefen, an denen fich die Erörterung des in Rede flehenden Gegenftandes
am natürlichften ergab, und zwar:
1) Kap. 4 über die Entftehung der Stile Ludwig XII. und Franz I.
2) Die zwei Hauptherde des italo-franzöfifchen Zufammenwirkens in den Schulen
von Amboife-Gaillon und von Fontainebleau, ferner die kleineren Herde diefes Zu-
fammenwirkens, die von erfteren ausgingen.
3) Die Notizen über Fra Giocondo, Domenico da Cortona {Boccador), die Familie
der Giufti (genannt les Jufte de Tours'), Primataccio und Scrlio.
4) Die Gefchichte des Hötel-de-ville zu Paris und die Einführung der italienifchen
Gärten in Frankreich.
5) Die Schlufsbetrachtung des vorliegenden Bandes.
Wenn Deftailleur die Ernennung Primaticcids zum Superintendenten der könig-
lichen Bauten, die im Jahre 1559 erfolgte, als das wichtige Datum anfieht, durch
welches die Italiener, die bereits in Frankreich wohl etablirt waren, einen unmittel-
baren Einflufs auf die Künfte Frankreichs auszuüben anfangen133), fo mag dies in
gewiffer Hinficht richtig fein. Doch möchten wir eher glauben, dafs quantitativ
die Zahl der in Frankreich durch Italiener aller Art eingeführten Architekturformen
zwifchen 1495 und 1559 gröfser war, als nach letzterem Jahre. Zum minderten
erfcheint uns die Ankunft der 22 Italiener, an deren Spitze fich Fra Giocondo und
Paganino befanden, im Jahre 1495 zu Amboife eben fo wichtig zu fein. Auf diefe
Colonie in Amboife kann man, fo will es fcheinen, die Aufmerkfamkeit nicht genug
lenken. Die Schule, die fich an diefelbe knüpft, dürfte einen kaum minder wichtigen
Einflufs ausgeübt haben, als jene in Fontainebleau, wenn auch in anderer Art. Es
fei nur daran erinnert, dafs am 24. December 1495 der königliche Zeltmacher und
Tapezierer Nicolas Fagot die Reftzahlung der ihm bewilligten 1593 Livres tourn.
empfing, und zwar für einen ihm vom König befohlenen Transport von Neapel bis
Lyon und zum Schlofs von Amboife, auf dem verfchiedene Teppiche, Bibliotheken,
Gemälde, Gegenftände von Stein, Marmor und Porphyr, fo wie andere Möbel im
Gefammtgewicht von 87000 Pfund befördert wurden, welche für die Decoration
und zum Gebrauch des genannten Schloffes beftimmt waren. In der gedachten
Summe war auch die Verköftigung von 22 Gewerkleuten {Hommes de meftier) wäh-
rend 34 Tagen, zu 40 Sous den Tag, mit inbegriffen 134).
Lalanne, der diefes Document veröffentlicht hat, fügte hinzu, es bedürfe keiner
Commentare. Marquis de Chenevieres bemerkt dazu: »Es bedarf keiner einzigen
Anmerkung, oder es bedarf deren 20 Bogen; denn was der Tapezierer Nicolas Fagot
in feinen Wagen aus dem unterften Italien in das Herz von Frankreich befördert
hat, ift nichts mehr und nichts weniger, als die ganze italienifche Kunft, jene Kunft,
die in Amboife, in Gaillon und in unferem ganzen Vaterlande zahllofe Wunder auf-
blühen machen wird, die zarteften vielleicht, die Frankreich je aufgebracht hat.«
Diefem treffenden Ausdruck für die grofse Wichtigkeit des gedachten Ereigniffes
kann man fich nur mit ganzer Ueberzeugung anfchliefsen.
133) Siehe: Destailleur, H. Notices für quelques artißes franqais etc. Paris 1863. S. 9.
131) Nach: Archives de l'art franiais, Bd. II, 305.
 
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