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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (1. HeftTheil 2, 6. Band, 1. Heft): Historische Darstellung der Entwickelung des Baustils — Stuttgart: Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.67517#0122
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Er war einer der feltenen Herrfcher, welche die Kunft befchützten, nicht nur
um ihrem Thron Glanz zu verleihen, fondern auch weil er fie von ganzem Herzen
liebte. Mit Franz I. fchien nicht blofs ein neuer König, jugendlicher Heldenmuth
und Kriegesruhm den Thron zu befteigen; fondern die Künfte felbft und eine Zeit
unbegrenzter Träume betraten denfelben. Alles, was Italien und Frankreich an
grofsen Meiftern befafs: Leonardo da Vinci, Raffael, Michelangelo, wollte diefer
König ehren und, wenn möglich, für feinen Hof und fein Land gewinnen. Nicht
umfonft wurden damals die Könige Frankreichs zeitweife auch italienifche Fürften.
Und welche Fürften! Die Beherrfcher über das ftolze Mailand, welchem Bramante
das Scepter der Architektur verliehen hatte, bevor er es auch nach Rom verfetzte.
Hatten hier geftern erft Julius und Bramante einen neuen Peters-Dom begonnen,
der Alles, was die Römer und die Welt überhaupt bis dahin gebaut hatten, über-
troffen, fo blieb König Franz auch von einer folchen That ficherlich nicht unberührt.
Der jugendliche Ritter, der, 21 Jahre alt, mit dem Sieg von Marignano
feine Thronbefteigung feierte und bald darauf feine Blicke nach der Kaiferkrone
warf, muffte wohl vom Bau der fchönften Paläfte träumen. Wie fich damals die
ganze Welt zu erneuern fchien, fo muffte ihm ein Gleiches mit feinen Schlöffern
vorfchweben. Marignano hatte ihm die beften Scarpellini, die in Mailand von
Bramante ausgebildeten, gegeben und dazu einen Mann, in dem Alles vereint war,
was Kunft, Wiffenfchaft und praktifches Können fich je träumen liefsen: Leonardo
da Vinci. Es entftand eine Zeit, von der wir uns kaum eine Vorftellung zu machen
vermögen. Was durfte wohl ein junger König, wie er, nicht davon erhoffen!
Wie könnte man fonft begreifen, dafs ein einzelner Mann — wenn auch ein
König — der Jagd zu Liebe den Muth hatte, auf fumpfigen Auen, inmitten grofser
Wälder einen wahren Traum, ein Luftfchlofs, ein Chambord zu errichten! Kein
Schlofs, eine Riefenphantafie ift es, ein Märchenbau, von deffen hohen Dachterraffen
aus 'die Damen feines Hofes die Heimkehr von der Jagd bequem überfehen konnten!
Abfurd, architektonifch oft unfchön, aber doch voll von feenhaftem Reiz; architek-
tonifch beinahe unverzeihlich, wenn nicht jedes Kapitell, jedes Rankenwerk, fogar
jedes Schornfteinrohr von Träumen einer neuen Welt erzählte, deren Wiedergeburt
vor Aller Augen leuchtete!
In einer Zeit, in der König Franz L. einen Phantafietraum, wie das Schlofs zu
Chambord, fchuf; in der Heinrich VIIL. in England fein nicht minder unglaubliches
Nunjuch palace^ff errichtete; in der Du Cerceau zahlreiche Idealfchlöffer componirte,
die einen infelartig gruppirt, die anderen pyramidenartig aufgebaut, mit Terraffen über
Terraffen; in der der König mit dem College de France zu Paris den Grund zu
einer neuen Hochfchule legte —- wer weifs da wohl, ob Rabelais nicht halb im
Ernft an den Bau feiner »nichtabteilichen« Abtei Theleme glauben mochte, wo die
Geiftescultur jede Befriedigung finden follte, im Wahne, es könne fie allein die
Welt erneuern!
Die Grofsmuth und die Begeifterung der Valois, die Verdienfte einiger der-
felben um die Architektur, wie wir fie bei Carl V. und feinem Bruder Jean de
Berry, ferner beim Neffen Beider, Lozzis d' Orleans, und bei Charles d' Orleans, dem
Sohn von Louis und dem Vater von Ludwig XLL, fehen; der Prunk und die
Kunftliebe der Valois, der Herzoge von Burgund — dies Alles, fagt Anthyme Saint-
-t7) Eine Abbildung dc Reiben, nach einem Reftaurationsverfuch von H. W. Brewer, ift zu finden in: Builder,
Band 66 (1894), Nr. 2660.

in.
Franz I.
und feine
Bauluft.
 
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