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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (1. HeftTheil 2, 6. Band, 1. Heft): Historische Darstellung der Entwickelung des Baustils — Stuttgart: Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.67517#0248
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231

wifchen. Ihre Formen erinnern nicht an Stoffe, wie Leder u. f. w., deren bauliche
Anwendung im Freien nicht üblich ift.
Man kann die Formenbildung Alef/is am Palazzo Marino zu Mailand als Typus
diefer Richtung anführen472). Sie ift es, die man im Ornament der öftlichen Hälfte
der grofsen Galerie des Louvre unter Heinrich IV. findet, wo die Gliederung dagegen
der barocken Richtung angehört. Man findet fie in Begleitung der Backftein- und
Quaderrichtung an feinem Schlöffe zu Saint-Germain-en-Laye, desgleichen in den
feltenen Blattornamenten des Luxembourg-Palais. An der Galerie des Cerfs zu
Fontainebleau gehören die Pilafter des Erdgefchoffes und die Giebelbekrönungen
der oberen Fenfter durch ihr Detail der bizarren, und nicht der barocken Richtung
an. Letzterer gehören nur die in Art. 291 (S. 233) erwähnten Voluten an.
Diefe Formen der bizarren Richtung find es, an die Defiailleur denkt, wenn
er vom goüt fattx et moniere des artiftes Italiens employes en France par les derniers
des Valois fpricht, oder vom fentiment du fftyle de la Renaiffance, der in der Fa^ade
von St.-Etienne-du-Mont zu Paris um 1610 noch auftritt 473). Diefe meint er, wenn
er vom Aufkommen des Stils Ludwig XIII. fpricht und fchreibt: »Zwifchen 1623
und 1630 gab man die letzten Formen der entarteten Renaiffance für die etwas
fchwere Ornamentirung des neuen Stils auf.«
Innerhalb des Barocco giebt es Meifter, die wenig oder gar nicht von der
fetten Detailbildung berührt werden, fondern fich an die bizarre Strömung halten.
Die Gewölbedecoration im Palazzo Pitti von Pietro da Cortona dürfte fich aus den
Loggien Raffaels ftufenweife umwandeln laffen und vermeidet das Detail Michel-
angelo's. Das Gleiche läfft fich von Lebruns Decken fagen. Es ift eher die bizarre,
als die barocke Richtung, die fich wieder in die ftrengeren Arabeskenformen Vouet’s
mifcht, um allmählich die freieren von Berain und Daniel Marot und des eigent-
lichen Style Louis XIV. zu bilden (feit ca. 1680).
In der Schule Michelangelo s dagegen werden felbft die Formen ftructiver
Elemente, wie Thüren, Fenfter, Bogenöffnungen mit ihren Widerlagern, Confolen,
Verdachungen und bekrönende Motive, in den Wirbel phantaftifcher Formenbildung
hineingezogen. Allmählich werden harmonifche Gleichgewichte von möglichft un-
erwarteten Formen in fo überrafchenden Stellungen als möglich dem Befchauer vor-
geführt. Die Maskenköpfe verlieren faft gänzlich ihre menfchlichen Züge, nehmen
im Ausdruck etwas Geifterhaftes, Leeres und Unreelles an, oder fie verzerren fich
zu allen erdenklichen Fratzen.
ß) Einflufs der Formen Michelangelo'’?, auf den Stil Ludwig XIII.
(Etwa 1600—60.)
Höchft bezeichnend für die Richtung Michelangelo s und feiner Schule ift der
Stoff, in welchem gewiffe Details, wie Cartouchen, Masken, Schilder, die Polfter
jonifcher Kapitelle u. f. w., ausgeführt zu fein fcheinen. Es ift nicht der Stoff der
wirklichen, aus der Natur oder der Kunftinduftrie entnommenen Vorbilder, fondern
ein weiches, oft nur fehr fchwer zu bezeichnendes Material. Man denkt an Leder,
an Teig oder ungebrannten Thon oder an weiche, abgerundete Formen, wie an einem
gekochten Kalbskopf. Einige fehen wie Hundeohren und Flügel von Fledermäufen
472) Man findet fie bei Giulio Romano, Giovanni da Udine, Perin del Vaga u. a. m., und in dem Cartouchenwerk
zu Fontainebleau ift fie die vorherrfchende.
473) Siehe: Destailleur, H. Notices für quelques artiftes franqais etc. Paris 1863. $• 58—60.

287.
Barocke
Richtung.

288.
Charakter
feines
Details.
 
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