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am Firmament deuticher Malerei: Hans Makart und Gabriel Max. Begeistert schwärmte er für die
Farbenpracht des einen und die poetische Stimmungsmalerei des andern; kein Wunder, dass er sich
auch in gelegentlichen Mussestunden, die er der Malerei widmete, auf ihren Pfaden bewegte, denn
der Drang zu künstlerischer Bethätigung wuchs immer mächtiger in ihm heran. Und so entschloss
er sich 1877, da er als Rittmeister in die Reserve übertrat, es noch einmal ernstlich mit der Kunst zu
versuchen. Er zog nach München, natürlich um bei dem damals gefeiertsten Lehrer der Akademie,
bei Piloty, sein Studium wieder zu beginnen. Aber vergebens klopfte er bei dem Meister an; er fand
keine Aufnahme in seiner Schule, und ebenso erging es ihm bei Diez und bei Lindenschmidt. In
Dresden war er aus eigener Kraft der akademischen Dressur entflohen, weil er fühlte, dass sie ihn
nichts lehren werde; in München büsste er für seine Ketzerei und fand bei den Akademikern
verschlossenc Thüren!
So war Uhde wider Willen sich selber wiedergegeben und da die Lebenden ihn nichts lehren
wollten, schloss er sich an die alten Meister an, dass sie ihm den Weg zum Gelingen wiesen. Eine
Aufmunterung in diesem resignirten Studium der alten niederländischen Meister, besonders Rembrandts
und des Frans Hals, ward ihm durch Lenbach, der Antheil an seinen autodidasihsehen Übungen
nahm. Uhde arbeitete sich nun so rasch in die malerische Manier der Holländer hinein, dass er bald
fürchten musste, bei seinen rückwärtsgewandten Studien den festen Boden selbständiger Empfindung
zu verlieren und dass er es wie eine Erlösung empfand, als ihn im Jahre 1879 Munkäczy aufforderte,
nach Paris zu wandern.
Er solgte dem ungarischen Künstler, der auf dem Höhepunkte einer allgemein bestaunten Meister-
schaft stand, mit jener Hingabe des strebsamen Anfängers, der sich noch nicht klar geworden ist,
über die Grundkräfte des eigenen Talentes. Er folgte ihm mit der Ehrfurcht des Scholaren vor
der vollkommen scheinenden Fertigkeit des Meisters und arbeitete bei ihm ein paar Monate lang
mit solcher Aufmerksamkeit auf seine Art und Weise, dass, was er schuf. ganz nach Munkäczyscbem
Recepte gemalt schien.
Uhdes erste malerische Leistungen von Belang, die Münchener und die Pariser, sind daher keine
Ofsenbarungen einer bestimmten Individualität, sie verrathen ein schönes Wissen aber kein selb-
ständiges Können; es sind sorgfältige Studien, die theils den Einfluss der Niederländer des
(iebzehnten Jahrhunderts, theils denjenigen Munkaczys auf das offenkundigste darthun. In München
malte er zum Beispiel eine alte Frau mit dem Bierkrug, die die grösstc Verwandtschaft mit des
Frans Hals Hille Bobbe aufweist. Dann die drei Bilder, die bis 1881 in Paris entstanden: »Die
Sängerin«, »Die gelehrten Hunde« und das »Familienconcert», sind weit mehr Bekenntnisse seiner
Verehrung für Munkäczy und seines Studiums der Alten, als Belege einer selbständigen Auffassung.
Das tüchtigste dieser Bilder, das »Familienconcert«, das Wilhelm Krauskopf gut radirt hat, nimmt
sich ganz altmeisterlich aus im Koltüm sowohl, wie in den Typen. Der joviale Jan Steen würde dem
Werke seine Patenschaft nicht abschlagen, wenn auch der etwas harte Contrast der hell gekleideten
jungen Frau im Vordergrunde zu ihrer in gedämpften Tönen gehaltenen Umgebung und die ganze
Disposition der vielfigurigen Scene laut für den Anhänger Munkaczys reden. In der Charakteristik
der Figuren liegt ein Zug feinen Humors, und der Hauch behäbiger Zufriedenheit weht uns aus
diesem Familienbilde so gemüthlich und schlicht an, dass wir des ernsten Studiums einer Natur aus
zweiter Hand und der aufmerksamen Anlehnung an die Manier des fremden Vorbildes leicht vergessen.
 
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