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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 29.1906

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Clément-Janin, ...: J. F. Raffaëlli als Radierer
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https://doi.org/10.11588/diglit.4255#0095
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J. F. RAFFAELLI ALS RADIERER.

Der Name Raffaellis ist aufs engste verbunden mit dem Wiederaufblühen der farbigen
Radierung.

Als Raffaelli im Jahre 1880 für eine Veröffentlichung, die unter dem Titel »Le Jour et la Nuit«
von einigen Impressionisten, darunter Degas und Pissarro, geplant war, aber nie erschienen ist,
seine erste Radierung (Le Chiffonier ereinte) ausführte, dachte er nicht im geringsten an irgend
eine Neuerung und seine Arbeit war denn auch einfach ein Blatt in Schwarz und Weiß. Auf seiner
ersten Ausstellung im März und April 1884 waren seine zahlreichen Malereien gleichfalls nur von
schwarz-weißen Radierungen begleitet: wir finden hier wieder den »Lumpensammler«, dann vier
Radierungen zu den Pariser Skizzen von J. K. Huysmans -- das ist alles. Die Leidenschaft für die
Radierung war in den vier Jahren bei unserem Künstler nicht stark gewachsen. Den Liebhaber der
Farbe befriedigten seine einfarbigen Blätter mit nichten. Er fühlte das Bedürfnis, dem Auge etwas
Heiteres und Klares zu geben und das, dachte er, vermag nur die Farbe. Zur rechten Zeit erinnerte
er sich da an die farbigen Stiche des XVIII. Jahrhunderts und er verlegte sich auf das Studium der
Janinet, Debucourt, Demarteau und alles übrigen, was dieses Jahrhundert vor seiner Schicksals-
stunde uns an Leichtfertigkeiten überliefert hat. Er durchforschte das Werk dieser Kleinmeister,
ohne aber hinter das Geheimnis ihrer Mittel zu kommen. Da entschloß er sich kühn, das Verfahren
neu zu erfinden, und machte schließlich beim Trockenstift Halt, dessen Grate ihm einen kräftig-
satten Strich verbürgten, der ihm besser zu der Farbe zu passen schien als die scharfen Ein-
schnitte der eigentlichen Radierung.

Damit erschien zum ersten Male wieder in Frankreich die farbige Radierung, die seit mehr als
einem Jahrhundert verachtet worden war und auf die die neuentdeckte farbige Lithographie die
Aufmerksamkeit gelenkt hatte.

Raffaelli trug nicht wenig dazu bei, der farbigen Radierung den endgültigen, entscheidenden
Anstoß zu geben. Als er im Jahre 1894 in der Societe Nationale seine ersten farbigen Blätter aus-
stellte, »The old lady's garden«, »La Route aux Grands Arbres«, »Les Invalides«, »Bord de la
Seine«, »Terrain vague« und »Le Laveur de Chiens«, brachte er damit Proben eines neuen Ver-
fahrens, das bereits in vollem Wiederaufblühen war.

* *

Es ist vielleicht hier am Platze, eine kurze Geschichte des Wiederauflebens der farbigen
Graphik in Frankreich zu geben und dabei an der Hand genauer Daten die Irrtümer richtigzu-
stellen, die von der Mehrzahl der Schriftsteller begangen worden sind, die sich mit diesem Gegen-
stande beschäftigt haben.

Der Ruhm des zeitlichen Vorranges, der abwechselnd Raffaelli, Maurin und Mary Cassatt
zugeschrieben worden ist. gebührt mit voller Bestimmtheit niemand von diesen. Das ist eine Tat-
sache, die wir sozusagen urkundlich belegen können.

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