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HANS UND LEO FRANK

Vor etlichen Jahren hat Campbell Dodgson in
den »Graphischen Künsten«2 von zwei jungen eng-
lischen Radierern, den Zwillingsbrüdern Maurice und
Edward Detmold, berichtet, die eine so erstaunliche
Gleichartigkeit des Talents, der künstlerischen Ziele
und des Lebensganges aufwiesen, daß sie »wie eine
Seele erschienen, die in zwei Körper verteilt war«,
und Dodgson gestehen mußte, er erinnere sich in der
ganzen Kunstgeschichte keines zweiten derartigen
Falles. Indes ist dieses Phänomen vielleicht doch
nicht so singulär, wie der englische Gelehrte meinte.
Denn in der Kunst der Zwillingsbrüder Hans und
Leo Frankbietet sich uns auf österreichischemBoden
eine ganz ähnliche Erscheinung dar; auch hier finden
wir eine weitgehende Gemeinsamkeit der äußeren
Lebensumstände, der Welt- und Kunstanschauung
sowie der künstlerischen Ausdrucksmittel, und wenn
sich auch die Brüder Frank bisher niemals gleich den
Brüdern Detmold zu gemeinschaftlicher Arbeit an
einem Werke vereinigt haben, in dem ihre Indivi-
dualitäten untrennbar ineinanderflössen, so sind doch
die Bahnen ihrer Entwicklung stets so nahe neben-
einander verlaufen, zeigen sie, in engstem geistigem
Kontakte stehend, trotz Verschiedenheit des Tempe-
raments und ungleicher Produktivität eine solche
Gleichwertigkeit der künstlerischen Qualitäten, daß auch sie nach außenhin fast eine Einheit be-
deuten und es beinahe unmöglich ist, den einen Bruder zu erwähnen, ohne dabei gleichzeitig auch
des andern zu gedenken.

Das Kunsttalent des Brüderpaares ist zweifellos ein Erbteil von väterlicher Seite und läßt sich
deutlich durch zwei Menschenalter zurückverfolgen. Vom Urgroßvater Jakob Frank, der, Süd-
tiroler Bauernadel entstammend, um 1827 aus dem Nonsberger Tal nach Wien eingewandert ist,
weiß die Familientradition in dieser Hinsicht noch nichts zu vermelden; dagegen war der Groß-
vater Leopold Frank als Graveur und Ziseleur bereits auf kunstverwandtem Gebiete tätig und

Hans Frank, Blüte und Schmetterling (1920). Nach der Kalt
nadelradierung.

1 Siehe das Verzeichnis der graphischen Arbeiten des Brüderpaares in den »Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst«
1922, S. 52 ff.

ä XXXIII. Jahrgang (1910), pag. 17 ff.

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