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Technik

Schutze besonders wertvoller, der Öffentlichkeit zugänglicher Stücke; die deckende
durch die Lichtreflexe störende Spiegelglasscheibe ist nach Möglichkeit zu vermeiden.

Die Tatsache, daß ein Zusammenschrumpfen der Figuren senkrecht zur Kette immer
noch die weniger bedenkliche Erscheinung darstellt, mag einer der Gründe mit ge-
wesen sein, der die Meister veranlaßte, die Behänge quer, d. h. die Figuren liegend zu
wirken. Seltsamerweise zeigen verschiedene französische Veröffentlichungen, die sich
mit der Wirkereitechnik befassen, die Gestalten des Teppichs in ihrer Achse parallel
zur Kette. Nur in ganz vereinzelten Fällen findet sich dieses Verfahren; in der Regel
wird der Karton hochkant wiedergegeben, d. h. der Wirker legt das Bild um, er be-
ginnt seine Arbeit, mit der Querseite (Abb. 8). Ein weiterer ausschlaggebender Grund
für diese auf den ersten Blick eigenartig anmutende Methode beruht in dem Be-
streben, den Ketten- und Warenbaum nicht unnötig lang auszubauen. Wenn man
bedenkt, daß manche Teppiche der Manufaktur Arras Längenausdehnungen von 20 m
besaßen, ist es unschwer zu verstehen, daß notgedrungen die Schmalseite, die in sel-
tenen Fällen allerdings auch 7 m erreichte, als Arbeitsbasis gewählt wurde. Was für
die riesigen Arraser und Pariser Behänge der Frühzeit galt, war für die kleinen deut-
schen Stühle, die in der Hauptsache die langen schmalen Rücken- und Chorstuhl-
teppiche erzeugten, selbstverständliche Regel.

Die Umlegung der Patronen findet in der Technik, insbesondere in der Schraffen-
und Spaltenlösung, eine weitere maßgebende Begründung.

Der Wirker ist abhängig von der Struktur des Kettenfaches, die ihn — im Gegen-
satze zur Stickerei — zwingt, in Treppen zu arbeiten, die der Entfernung der Kett-
fäden und der Linienführung der Vorlage angepaßt sein müssen. Je mehr sich die
Zeichnung der Senkrechten zum Kettenfach nähert, um so breiter wird die Treppe
(Abb. 26), je mehr die Parallele angestrebt wird, um so steiler gestaltet sich die Stei-
gung. Fällt eine Kontur der Patrone mit der Richtung der Kette zusammen, entsteht
ein Spalt.

Als typische, nicht selten störende Erscheinung treten in den Wandteppichen, nament-
lich in Flächen gleicher Farbe, Schrägen auf, die der Wirker als Abarbeitungen (en-
levages) bezeichnet. Das Symptom findet eine zweifache Begründung. Die Her-
stellung des Wandteppichs geht schrittweise vorwärts, sie baut sich, entsprechend
der Farbengebung, auf dem bereits fertiggestellten Teile auf, sie ist abhängig von der
Litzenbildung; ein Uberschneiden der Kettfäden ist ausgeschlossen. Die Eigenart der
Technik erklärt die Tatsache, daß Flächen gleicher Farbe durchaus nicht immer in
einem Arbeitsgange sich erledigen lassen. Der Wirker muß aussetzen, um einen an-
stoßenden Farbenfleck vorzunehmen, erst dann wird die Fortsetzung der angefangenen
Stelle möglich. Das Verfahren findet im weiteren Verlaufe der Untersuchung durch
ein Beispiel nähere Erläuterung (Abb. 39). Zunächst sei lediglich bemerkt, daß die
jeweiligen Unterbrechungen größerer Farbflecken nicht in willkürlichen Linien abge-
setzt werden; der Wirker legt eine Treppe im Winkel von 45°. Werden die Stufen
sehr kurz gewählt oder gar der Einschlag unmittelbar aufeinanderfolgend gelegt, so
entsteht durch das Gewicht des Behanges im Laufe der Zeit unfehlbar eine deutlich
sichtbare Schräge (Abb. 27). Die französischen und niederländischen Manufakturen
der Spätzeit vermeiden den Fehler und wählen die Stufen verhältnismäßig breit, der
Anschluß vollzieht sich technisch ohne Schwierigkeit, als Übelstand erscheinen da-
gegen die der Kette parallel laufenden Schlitze, die vernäht werden müssen.

Vergegenwärtigen wir uns die Art der Abarbeitungen in den alten flämischen und
brabantischen Teppichen, so zeigt sich in der Regel, daß die Praxis weniger der guten
Konstruktion, als der Schnelligkeit den Vorzug gab. Die Schrägen sind ohne Trep-
pen gearbeitet; der Anschluß ist ohne Bindung aufgesetzt, die Schräge auf der Außen-
seite des Teppichs, also sichtbar, mit farbiger Seide vernäht. Verhältnismäßig häufig
findet sich auch die gediegenere Methode des Abrundungsschusses. Das Verfahren
wird, außer bei Abarbeitungen, ständig verwandt, wenn es sich darum handelt, die
dünnen Konturen eines Blattes oder dergleichen klar und zugleich weich zu betonen.

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