Deutung
und vor allem die berühmte Dichtung „Livre du preux Jason et de la belle M6d6e"
behandelt. Das letztere Werk, das ebenfalls der Feder des Raoul Lefevre entstammt,
erfährt später auf Wunsch der Herzogin Margarete eine englische Ubersetzung, die
William Caxton in Hesdin fertigt.
Held Jason ist neben Alexander dem Großen die Idealgestalt Philipps des Guten.
Zweifelsohne ist der Herzog durch frühere oder zeitgenössische Dichtungen stark beeinflußt.
Die Vorliebe für den Eroberer des Goldenen Vließes bildet mit eine der Triebfedern
zur Stiftung des berühmten Ordens, der 1430 gelegentlich der Vermählung Philipps
mit Isabella von Portugal ins Leben gerufen wurde (36). Das Zeugnis Oliviers de La
Marche besagt klar, daß der Herzog wse fonda premierement sur la poeterie de Jason
quand il esleva la noble Thoison d'or". Es bedurfte vieler Mühe, Philipp den Guten
davon abzubringen, Jason als alleinigen Schutzherrn des neuen Ordens zu belassen.
Charakteristischer Weise war für die Einsetzung Gideons als zweiten Patron nicht in
erster Linie der Gedanke maßgebend, daß Jason Heide war, schwerwiegender er-
schien der Einwand, „pour ce que Jason mentit sa foy". Der Held hatte seiner Herzens-
dame Medea nicht die ritterliche Treue gehalten, wie es für einen höfisch gebildeten
Mann selbstverständlich war.
Schon 1393 läßt Philipp der Kühne dem Pariser Händler Pierre Beaumetz die Folge
„Jason ä la conquete de la Toison d'or" in Auftrag geben, die lange Zeit hindurch
einen außerordentlichen Ruf besitzt und erst 1449 durch die Tournaiser „Histoire de
G6d6on ou de la Thoison d'or" in den Schatten gestellt wird. Maßgebend für die
letztere Arbeit, die Robert Dary und Jehan de l'Ortie dem Herzog nach Entwürfen
Bauduins de Bailleul liefern, war wahrscheinlich die Dichtung des „Songe de la Toison
d'or" von Michault Taillevent. Die Folge erscheint zum ersten Male auf dem Ordens-
kapitel zu La Haye (1456). „La salle de La Haye .... fust tendue de la plus riche
tapisserie qui oncques entrast en court de roy, et de plus grant monstre, et n'avoit
este" monströe ailleurs que droit-lä, car le duc nouvellement l'avoit fait faire de
l'histoire de Gedeon sur le veaudre (Fließ) de miracle, en Fappropriant ä son ordre."
Die Behänge sind erst in verhältnismäßig jüngerer Zeit verloren gegangen. Die Motive
lassen sich, wenn auch nur andeutungsweise, durch den „Songe de la Toison d'or"
rekonstruieren. Die Dichtung entsteht nach 1431 unter dem Eindrucke des Liller
Ordensfestes. Michault le Caron, genannt Taillevent, „valet de chambre, joueur de
farces" und „rhetorien" Philipps des Guten, kümmert sich wenig um die bekannte
Gideonepisode des Alten Testamentes; er rollt, in Anlehnung an den Rosenroman, ver-
schiedene Traumbilder auf. Der Dichter erblickt, in Schlaf versunken, inmitten prächtiger
Gärten den Palast „de la Toison d'or". „Bonne Renommee", begleitet von allegorischen
Frauengestalten, erbietet sich als Führerin. „Beau Parier" eröffnet das Ordenskapitel
und „publie la feste". Alle Ritter ohne Furcht und Tadel werden zur Teilnahme auf-
gefordert. Es erscheinen u. a. Gideon, Alexander und König Artus. Die Gründung des
Ordens vollzieht sich mit allen Einzelheiten (37).
Die Geschichte des Helden Gideon und seiner Ritterschaft, die alle hochklingenden
Namen der alten jüdischen, heidnischen und christlichen Welt umfaßt, wird in un-
zähligen Pantomimen dargestellt. 1455 geht in Arras, gelegentlich des Einzuges des
Landesherrn, das Spiel in Szene. Die Darsteller „ne parloient point, ains ne faisoient
que les signes de ladite mistere". 1466 erfolgt die Aufführung des Mimodramas
Gideon in Abbeville, 1473 in Dijon, von zahllosen Wiederholungen bei Hoffestlich-
keiten ganz zu schweigen.
Die umfangreiche Jasonliteratur aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in
erster Linie die um 1454 von Raoul Lefevre geschriebene „Istoire de Jason extraicte
de plusieure livres", festigt die Vorliebe für den nun allgemein üblich gewordenen
Ritterkreis um Jason und läuft letzten Endes darauf hinaus, in den sogenannten neun
Helden eine Art Verkörperung und Zusammenfassung der wesentlichsten frühen christ-
lichen und antiken Sagenkreise zu erblicken. Kaum eine Wirkereifolge ist so unendlich
oft wiederholt worden, wie die der 9 Helden, denen später, als Gegenstück, die
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und vor allem die berühmte Dichtung „Livre du preux Jason et de la belle M6d6e"
behandelt. Das letztere Werk, das ebenfalls der Feder des Raoul Lefevre entstammt,
erfährt später auf Wunsch der Herzogin Margarete eine englische Ubersetzung, die
William Caxton in Hesdin fertigt.
Held Jason ist neben Alexander dem Großen die Idealgestalt Philipps des Guten.
Zweifelsohne ist der Herzog durch frühere oder zeitgenössische Dichtungen stark beeinflußt.
Die Vorliebe für den Eroberer des Goldenen Vließes bildet mit eine der Triebfedern
zur Stiftung des berühmten Ordens, der 1430 gelegentlich der Vermählung Philipps
mit Isabella von Portugal ins Leben gerufen wurde (36). Das Zeugnis Oliviers de La
Marche besagt klar, daß der Herzog wse fonda premierement sur la poeterie de Jason
quand il esleva la noble Thoison d'or". Es bedurfte vieler Mühe, Philipp den Guten
davon abzubringen, Jason als alleinigen Schutzherrn des neuen Ordens zu belassen.
Charakteristischer Weise war für die Einsetzung Gideons als zweiten Patron nicht in
erster Linie der Gedanke maßgebend, daß Jason Heide war, schwerwiegender er-
schien der Einwand, „pour ce que Jason mentit sa foy". Der Held hatte seiner Herzens-
dame Medea nicht die ritterliche Treue gehalten, wie es für einen höfisch gebildeten
Mann selbstverständlich war.
Schon 1393 läßt Philipp der Kühne dem Pariser Händler Pierre Beaumetz die Folge
„Jason ä la conquete de la Toison d'or" in Auftrag geben, die lange Zeit hindurch
einen außerordentlichen Ruf besitzt und erst 1449 durch die Tournaiser „Histoire de
G6d6on ou de la Thoison d'or" in den Schatten gestellt wird. Maßgebend für die
letztere Arbeit, die Robert Dary und Jehan de l'Ortie dem Herzog nach Entwürfen
Bauduins de Bailleul liefern, war wahrscheinlich die Dichtung des „Songe de la Toison
d'or" von Michault Taillevent. Die Folge erscheint zum ersten Male auf dem Ordens-
kapitel zu La Haye (1456). „La salle de La Haye .... fust tendue de la plus riche
tapisserie qui oncques entrast en court de roy, et de plus grant monstre, et n'avoit
este" monströe ailleurs que droit-lä, car le duc nouvellement l'avoit fait faire de
l'histoire de Gedeon sur le veaudre (Fließ) de miracle, en Fappropriant ä son ordre."
Die Behänge sind erst in verhältnismäßig jüngerer Zeit verloren gegangen. Die Motive
lassen sich, wenn auch nur andeutungsweise, durch den „Songe de la Toison d'or"
rekonstruieren. Die Dichtung entsteht nach 1431 unter dem Eindrucke des Liller
Ordensfestes. Michault le Caron, genannt Taillevent, „valet de chambre, joueur de
farces" und „rhetorien" Philipps des Guten, kümmert sich wenig um die bekannte
Gideonepisode des Alten Testamentes; er rollt, in Anlehnung an den Rosenroman, ver-
schiedene Traumbilder auf. Der Dichter erblickt, in Schlaf versunken, inmitten prächtiger
Gärten den Palast „de la Toison d'or". „Bonne Renommee", begleitet von allegorischen
Frauengestalten, erbietet sich als Führerin. „Beau Parier" eröffnet das Ordenskapitel
und „publie la feste". Alle Ritter ohne Furcht und Tadel werden zur Teilnahme auf-
gefordert. Es erscheinen u. a. Gideon, Alexander und König Artus. Die Gründung des
Ordens vollzieht sich mit allen Einzelheiten (37).
Die Geschichte des Helden Gideon und seiner Ritterschaft, die alle hochklingenden
Namen der alten jüdischen, heidnischen und christlichen Welt umfaßt, wird in un-
zähligen Pantomimen dargestellt. 1455 geht in Arras, gelegentlich des Einzuges des
Landesherrn, das Spiel in Szene. Die Darsteller „ne parloient point, ains ne faisoient
que les signes de ladite mistere". 1466 erfolgt die Aufführung des Mimodramas
Gideon in Abbeville, 1473 in Dijon, von zahllosen Wiederholungen bei Hoffestlich-
keiten ganz zu schweigen.
Die umfangreiche Jasonliteratur aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in
erster Linie die um 1454 von Raoul Lefevre geschriebene „Istoire de Jason extraicte
de plusieure livres", festigt die Vorliebe für den nun allgemein üblich gewordenen
Ritterkreis um Jason und läuft letzten Endes darauf hinaus, in den sogenannten neun
Helden eine Art Verkörperung und Zusammenfassung der wesentlichsten frühen christ-
lichen und antiken Sagenkreise zu erblicken. Kaum eine Wirkereifolge ist so unendlich
oft wiederholt worden, wie die der 9 Helden, denen später, als Gegenstück, die
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