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D e u t u n g

sind verstümmelt, der Autor hält sich nicht an die bekannte Dreizahl — Euphrosyne,
Thalia und Aglaia — er benennt eine der Schönen PERISTERA, wohl eine Verball-
hornung der Pasithea, die nach Homer Göttin Hera dem Hypnos (Somnus) als Gattin
verspricht. Musizierende, blumenpflückende und jagende Putten vervollständigen das
malerische Bild.

Es liegt nicht im Rahmen der Abhandlung die Entwicklung und Ausbildung des
Puttomotives eingehender zu besprechen. Erst mit dem 16. Jahrhundert beginnen
die kleinen, geflügelten Burschen den Wandteppich zu erobern. Dem flämischen Geiste
blieben sie lange fremd. Die Idee fand in erster Linie Eingang durch eine Folge, die
unter dem Namen das wBett Leos X." fast den gleichen Ruf genoß wie die berühmte
Reihe der Taten der Apostel. Die Serie umfaßte die gewirkten Bettbehänge und die
Wandteppiche des Schlafsaales des kunstsinnigen Mediceers. Die Folge wird am
27. Juni 1520 Peter van Aelst in Auftrag gegeben. Die Dekoration besteht aus Frucht-
guirlanden mit spielenden Amoretten und den Emblemen des Bestellers: Löwe, Strauß
und Joch. Es handelt sich insgesamt um zwanzig mit Gold und Silber durchwirkte
Teppiche, acht barocke Wiederholungen tauchten mit dem Nachlasse der Prinzessin
Mathilde in Paris wieder auf (Abb. 99). Nach Yasari „malte Giovanni (da Udine) die
Kartons zu den Decken und Tapeten der Zimmer, die dann in Flandern aus Gold und
Seide gewebt wurden, worauf gewisse Putti sind, die innerhalb verschiedener, mit
den Wappen des Papstes Leo verzierter Blumenranken spielen."

Die Darstellungen sind leicht verständlich. Das Ganze ist ein anmutiges Spiel mit
den Wappenemblemen Leos X. Ein gekrönter Amor, das Sinnbild der glücklichen
Herrschaft des Mediceerpapstes, hält in der Rechten ein Szepter, in der Linken die
Petrusschlüssel; sein Fuß steht auf der Erdkugel. Zwei andere Putti reichen ihm
Prachtschüsseln, gefüllt mit Gold, dem Sinnbilde des Überflusses, den Leos gesegnete
Hand ersprießen läßt. Auf dem Fruchtkranze thront der Löwe, das Wappentier des
Papstes.

Wieder andere Wirkereien der Folge gruppieren sich um den Strauß; auch die
drei in einem Reife vereinigten Federn — ein Emblem des Vaters Lorenzo il Magnifico —
fehlen nicht.

Eigenartig ist dagegen eine Episode, in der ein Affe, ein Wickelkind auf dem
Arme, die Hauptrolle spielt. Zwei Putti suchen das auf dem Fruchtgehänge hockende
Tier durch eine vorgehaltene Birne von seinem Sitze herabzulocken. Müntz erklärt
die Darstellung aus einer Begebenheit, die sich angeblich während der Regierungs-
zeit Leos X. abgespielt haben soll. Ich lasse die Deutung dahingestellt sein, wenn-
gleich die Wiedergabe einer derartigen Episode in einem Wandteppiche reichlich be-
fremdet. Dem Geiste der italienischen Renaissance lag es fern, in Wirkereien, dem
köstlichsten Erzeugnisse der angewandten Kunst, Dinge zu verewigen, die sich nicht
dem höfisch-zeremoniellen Kreise einfügten. Der Wandteppich, ein festlich froher
Schmuck, bringt außer Wappenmotiven in der Regel nur Darstellungen, die er-
hebend und belehrend wirken. Er behandelt das Leben großer Männer und Frauen,
Episoden aus der Mythologie, dem Altertume und der Bibel, ernste und heitere
höfisch-ritterliche Spiele. Bisweilen werden auch politische Satiren in Vorschlag ge-
bracht, ohne daß das Thema nachweislich in die Praxis umgesetzt wird. Steht bei
der Affenepisode dem zeitgenössischen Empfinden eine abgewandelte Stelle der Bestiarien-
literatur nicht näher? Wenn der Jäger das Affenweibchen zu fangen sucht, enteilt die
Mutter, das Lieblingsjunge auf dem Arme, und flüchtet auf einen Baum.

1935 „Quant la mere ses foons a,
Cel que plus aime, portera
Entre ses braz par devant sei" (146).

Das Puttenmotiv wird im 16. Jahrhundert des öfteren als rein dekoratives Moment
in Bildwirkereien verwertet. Die kleinen, geflügelten Burschen turnen vergnügt in
den von Wein umrankten Bäumen, sie spielen Pferdchen oder treiben allerhand Allo-
tria. Eine der schönsten Folgen dieser Art birgt der spanische Staatsschatz (Abb. 100).

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