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Die zahlreichen in den Rechnungsbelegen der Liller Kammer erhaltenen Unterlagen des
burgundischen Staatshaushaltes lassen Tournai, die Rivalin Brüssels, vielleicht in zu
strahlendem Lichte erscheinen, unter Zurücksetzung der brabantischen Manufaktur.

Die von Dr. Cuvelier veröffentlichte Liste der bis 1446 in die Wollweberzunft auf-
genommenen Leghwerker umfaßt an Jungmeistern, Gesellen und Lehrlingen nicht
weniger wie 600—700 Namen. Fraglich erscheint es, ob tatsächlich alle Wirker im
eigentlichen Sinne waren. Eine Rechnung der Brüsseler Kammer vom Jahre 1377/78
erwähnt unter dem 13. März bereits einen Wilhelm de Yysca (Yssche) «tapetisarius" (3),
der einen roten Fußteppich, wahrscheinlich eine Knüpfarbeit, mit dem Wappen des
Herrscherpaares — Johanna und Wenzelaus von Luxemburg — für die Kapelle des
Schlosses fertigt (4).

Der Verbrauch an derartigen Fußteppichen war im 14. und 15. Jahrhundert ver-
hältnismäßig groß, eine klare Trennung zwischen Wirkern und Teppichknüpfern ist
in den Registern der Wollweberzunft nicht durchgeführt. Es liegt die starke Wahr-
scheinlichkeit vor, daß die beiden Kunsthandwerkergruppen gemeinsam die neue
Zunft, nach ihrem Austritt aus der alten Gilde, bildeten. Um die Mitte und zu Ende
des 15. Jahrhunderts waren jedenfalls die Leghwerker weit überwiegend in der Zahl.
Die noch wenig erforschte flämisch-brabantische Teppichknüpferei bricht nach kurzer
Blüte unter der neuen Mode, der Vorliebe für orientalische Bodenbeläge, zusammen.

Die riesige Zahl der in den Registern der großen „wolleweversambacht" angeführten
Legwerker hat nur rein statistischen Wert, so lang sich nicht mit den Namen tatsäch-
lich ausgeführte Arbeiten verknüpfen. Das gleiche gilt von den Leghwerkern (Legwerkern),
die zu Beginn des 15. Jahrhunderts in den Listen der Bruderschaft St. Jakob de Compo-
stella und den „brueders van den heyleghen Cruce op Couwenbergh" erscheinen. Die
Angaben Wauters (5), des Grafen de Laborde (6) und Donnets (7) bringen nur wenige
Wirker, deren Tätigkeit durch urkundlich einwandfrei festgestellte Arbeiten näher
belegt ist.

1466 liefert Jehan de Haze an Herzog Philipp den Guten acht Verdüren mit dem
golddurchwirkten Wappen des Herrschers. Es handelt sich um 4093/* Brabanter Quadrat-
ellen, die mit 2131 liv. 7 s. vergütet werden, also einen hohen Durchschnittspreis er-
zielen. Ein Jahr später arbeitet Jan de Rave für den Burgunderherzog eine Ge-
schichte Hannibals. De Rave ist nicht, wie mehrfach angenommen wurde, identisch
mit de Haze, er findet sich 1434 unter den Leghwerker-Knapen, 1440 unter den
Meistern, 1466 in den Registern der Brüsseler Rechnungskammer, wo auch Jan de
Haze im Jahre 1469 erscheint. Am 18. Oktober 1470 bezieht Jehan de Haze von dem
herzoglichen Schatzmeister 97 liv. 4 s. für zwei nicht näher genannte Teppiche, die
insgesamt ßOi Quadratellen fassen. Um die gleiche Zeit beschließt der Antwerpener
Rat, dem Landesherrn eine reiche Teppichfolge als Geschenk anzubieten. Man wendet
sich an Jehan de Haze, der diesmal als „coopman van tappyceryen, te Brussele ge-
seten" angeführt wird. Entsprechend dem hohen Preise von 1000 rheinischen Gulden
muß es sich um eine kostbare Folge gehandelt haben. Der Vertrag vom 13. November
1469 nennt leider nicht den Gegenstand der Darstellung. Wieweit der Brüsseler Wir-
ker mit der gleichnamigen Tournaiser Tapisseriefamilie durch verwandtschaftliche Be-
ziehungen verknüpft ist, läßt sich zunächst nicht mit Sicherheit feststellen. E. Soil
erwähnt einen „marcheteur", d. h. einen Basselissier Zegre Haze im Jahre 1462, einen
Seidenweber Jehan Haze zwei Jahre später; ein De le Haze liefert 1505 einem De Vos
einen Wirkteppich seiner Manufaktur, der ihm als Gegenwert drei Genter Bank-
wirkereien anbietet. Es liegt immerhin die Möglichkeit vor, das Ineinanderfließen von
Arraser, Tournaiser, Oudenaarder, Brügger und Brüsseler Werkstatteigentümlichkeiten
durch derartige Familienbeziehungen zu erklären; eine Annahme, die ihre Bestätigung
für Tournai und Oudenaarde bereits fand.

Am 25. September 1477 schließt der Londoner Händler John Pasmer vor dem Ant-
werpener Rate einen Vertrag mit dem Brüsseler Teppichwirker Gilles van den Putte.
Der Meister verpflichtet sich, nach einer vorhandenen, von ihm noch abzuändernden

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