Brüssel
entsendet, weniger um dem Großherrn Bildwirkereien anzubieten, als in erster Linie
die Färbereitechnik des Orients näher kennen zu lernen.
Ähnlich wie Wilhelm de Kempeneer und verschiedene andere Berufsgenossen gerät
Meister Jan aus Glaubensgründen mit den Staatsbehörden 1543 in Konflikt, der jedoch,
abgesehen von einer Geldstrafe von 300 Gulden, Dermoyen das kaiserliche Vertrauen
nicht zu entziehen vermag.
Einer der größeren Manufakturinhaber Brüssels, Johann van Tiegen, verläßt in den
sechziger Jahren die Heimat, um der Proskriptionsliste Herzog Albas zu entgehen. Er
wendet sich zunächst nach Köln und läßt sich später in Wesel nieder. Der Meister
steht in engen Beziehungen zu dem Landgrafen Wilhelm von Hessen-Cassel, dem er
um 1570 eine Cyrusfolge von 14 Teppichen und die Geschichte Davids mit 21 Behängen
liefert. Von besonderer Bedeutung ist die Haus- und Wirkermarke, die dem Schreiben
des Meisters vom 6. Februar 1570 beigefügt ist (53). Die gleiche Signierung trägt in
mehreren Teppichen eine der schönsten Madrider Folgen, die Geschichte des Cyrus, die
in ihrem jetzigen Bestände zehn Teppiche umfaßt (Abb. 279). Die Reihe wurde 1560 zum
ersten Male in Toledo bei den Trauerfeierlichkeiten des Schwagers Philipps IL, des ver-
storbenen Königs Franz II. von Frankreich, benutzt. Die zweite in der Madrider Folge
vorkommende Marke wäre auf ein Mitglied der Familie Leyniers, vielleicht auf Meister
Nikolaus, zu deuten. Die Arbeit ist in der Qualität erstklassig und gibt einen durchaus
günstigen Eindruck von den Leistungen der Tiegen'schen und Leyniers'schen Manu-
fakturen. Die Signierung van Tiegens trägt ferner die Folge der Geschichte des ersten
Menschengeschlechtes in der Münchener Staatssammlung, eine hervorragende Arbeit, die
künstlerisch sehr gewandt die großen Mittelfiguren mit den reichen feingegliederten
Bordürenmotiven zusammenschließt (Abb. 280). Von besonderer Bedeutung ist die Ge-
schichte des Moses — neun Teppiche — in der Wiener Staatssammlung, die außer der
Tiegenschen Marke das Lothringer Doppelkreuz und ein geometrisches Zeichen trägt. Die
Serie gehört zu den vollendetsten Arbeiten auf dem Gebiete der Bildwirkerei. Ob van
Tiegen vorübergehend in Nancy tätig war, um unter den Augen des fürstlichen Bestellers
die prächtigen Behänge durchzuführen, steht dahin. Trotzdem das erwähnte Schreiben
vom Jahre 1570 die Marke unzweideutig wiedergibt, scheint es sich zu verbieten, die
Signatur unbedenklich in jedem Falle auf Meister Jan zu beziehen. Die stilistisch den
zwanziger oder dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts zuzuweisende Folge der Taten
der Apostel in der spanischen Staatssammlung trägt auf zwei Behängen gleichfalls das
Tiegen'sche Zeichen. Das gleiche gilt von der späteren Apostelreihe im Wiener Staats-
besitz, die zudem die eigentümliche, geometrische Signatur führt, die gleichfalls auf der
Mosesreihe neben der Tiegen'schen Signierung und dem Doppelkreuze erscheint. Die
Lösung kann nur darin zu suchen sein, daß die Marke Meister Jans als das über-
nommene Fabrikzeichen seines Vorgängers anzusehen ist, oder, was mit Rücksicht auf
die verschiedenen Apostelserien noch wahrscheinlicher sein dürfte, ein van Tiegen war
der Nachfolger des Peter van Aelst, dessen Hausmarke der nunmehrige Inhaber der
Manufaktur weiter führte.
Die Familie Leyniers schenkt dem Brüsseler Kunsthandwerk länger wie drei Jahr-
hunderte hindurch hervorragende Färber und Wirker. 1445 wird Jan de Leneere
als „Lehrknape^ aufgenommen. Anton Leyniers liefert die Folge des Romulus und
Remus in mehrfacher Wiederholung. Eine Reihe erwirbt 1543 der Kardinal von Este,
ein weiteres Exemplar tauchte 1876 auf der Pariser Ausstellung auf. Der Meister
scheint ein hohes Alter erreicht zu haben; 1570 wird seine Frau Elisabeth noch als
Gattin, nicht als Witwe erwähnt.
Es ist schwierig, die zahlreich vorkommenden Leyniers einigermaßen übersichtlich
in Wirker und Färber zu trennen. Verschiedene Leyniers zählen in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts zu den ersten Brüsseler Färbern und bekleiden, wie auch der be-
kannte Wirker Anton Leyniers, mehrfach städtische Ämter. Nikolaus Leyniers der Ältere
arbeitet zusammen mit Jan van Tiegen; Wauters und Guiffrey erwähnen einen Jan
Leyniers, allerdings ohne überzeugende Tatsachen für seine Existenz zu erbringen.
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entsendet, weniger um dem Großherrn Bildwirkereien anzubieten, als in erster Linie
die Färbereitechnik des Orients näher kennen zu lernen.
Ähnlich wie Wilhelm de Kempeneer und verschiedene andere Berufsgenossen gerät
Meister Jan aus Glaubensgründen mit den Staatsbehörden 1543 in Konflikt, der jedoch,
abgesehen von einer Geldstrafe von 300 Gulden, Dermoyen das kaiserliche Vertrauen
nicht zu entziehen vermag.
Einer der größeren Manufakturinhaber Brüssels, Johann van Tiegen, verläßt in den
sechziger Jahren die Heimat, um der Proskriptionsliste Herzog Albas zu entgehen. Er
wendet sich zunächst nach Köln und läßt sich später in Wesel nieder. Der Meister
steht in engen Beziehungen zu dem Landgrafen Wilhelm von Hessen-Cassel, dem er
um 1570 eine Cyrusfolge von 14 Teppichen und die Geschichte Davids mit 21 Behängen
liefert. Von besonderer Bedeutung ist die Haus- und Wirkermarke, die dem Schreiben
des Meisters vom 6. Februar 1570 beigefügt ist (53). Die gleiche Signierung trägt in
mehreren Teppichen eine der schönsten Madrider Folgen, die Geschichte des Cyrus, die
in ihrem jetzigen Bestände zehn Teppiche umfaßt (Abb. 279). Die Reihe wurde 1560 zum
ersten Male in Toledo bei den Trauerfeierlichkeiten des Schwagers Philipps IL, des ver-
storbenen Königs Franz II. von Frankreich, benutzt. Die zweite in der Madrider Folge
vorkommende Marke wäre auf ein Mitglied der Familie Leyniers, vielleicht auf Meister
Nikolaus, zu deuten. Die Arbeit ist in der Qualität erstklassig und gibt einen durchaus
günstigen Eindruck von den Leistungen der Tiegen'schen und Leyniers'schen Manu-
fakturen. Die Signierung van Tiegens trägt ferner die Folge der Geschichte des ersten
Menschengeschlechtes in der Münchener Staatssammlung, eine hervorragende Arbeit, die
künstlerisch sehr gewandt die großen Mittelfiguren mit den reichen feingegliederten
Bordürenmotiven zusammenschließt (Abb. 280). Von besonderer Bedeutung ist die Ge-
schichte des Moses — neun Teppiche — in der Wiener Staatssammlung, die außer der
Tiegenschen Marke das Lothringer Doppelkreuz und ein geometrisches Zeichen trägt. Die
Serie gehört zu den vollendetsten Arbeiten auf dem Gebiete der Bildwirkerei. Ob van
Tiegen vorübergehend in Nancy tätig war, um unter den Augen des fürstlichen Bestellers
die prächtigen Behänge durchzuführen, steht dahin. Trotzdem das erwähnte Schreiben
vom Jahre 1570 die Marke unzweideutig wiedergibt, scheint es sich zu verbieten, die
Signatur unbedenklich in jedem Falle auf Meister Jan zu beziehen. Die stilistisch den
zwanziger oder dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts zuzuweisende Folge der Taten
der Apostel in der spanischen Staatssammlung trägt auf zwei Behängen gleichfalls das
Tiegen'sche Zeichen. Das gleiche gilt von der späteren Apostelreihe im Wiener Staats-
besitz, die zudem die eigentümliche, geometrische Signatur führt, die gleichfalls auf der
Mosesreihe neben der Tiegen'schen Signierung und dem Doppelkreuze erscheint. Die
Lösung kann nur darin zu suchen sein, daß die Marke Meister Jans als das über-
nommene Fabrikzeichen seines Vorgängers anzusehen ist, oder, was mit Rücksicht auf
die verschiedenen Apostelserien noch wahrscheinlicher sein dürfte, ein van Tiegen war
der Nachfolger des Peter van Aelst, dessen Hausmarke der nunmehrige Inhaber der
Manufaktur weiter führte.
Die Familie Leyniers schenkt dem Brüsseler Kunsthandwerk länger wie drei Jahr-
hunderte hindurch hervorragende Färber und Wirker. 1445 wird Jan de Leneere
als „Lehrknape^ aufgenommen. Anton Leyniers liefert die Folge des Romulus und
Remus in mehrfacher Wiederholung. Eine Reihe erwirbt 1543 der Kardinal von Este,
ein weiteres Exemplar tauchte 1876 auf der Pariser Ausstellung auf. Der Meister
scheint ein hohes Alter erreicht zu haben; 1570 wird seine Frau Elisabeth noch als
Gattin, nicht als Witwe erwähnt.
Es ist schwierig, die zahlreich vorkommenden Leyniers einigermaßen übersichtlich
in Wirker und Färber zu trennen. Verschiedene Leyniers zählen in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts zu den ersten Brüsseler Färbern und bekleiden, wie auch der be-
kannte Wirker Anton Leyniers, mehrfach städtische Ämter. Nikolaus Leyniers der Ältere
arbeitet zusammen mit Jan van Tiegen; Wauters und Guiffrey erwähnen einen Jan
Leyniers, allerdings ohne überzeugende Tatsachen für seine Existenz zu erbringen.
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