Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
/

Brüssel

und Peter gewirkte Mosesfolge aus dem ehemaligen Wespienschen Hause zu Aachen
bildet heute eine Zierde des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg (Abb. 363).

Der ehemals kaiserliche Textilienschatz zu Wien ist besonders reich an Teppichen
aus den van der Borghtschen Manufakturen.

Die älteste Reihe, die noch dem 17. Jahrhundert angehört, bringt in acht Behängen
mythologische Szenen (Abb. 361). Die Teppiche tragen die Wirkerinitialen I. V. D. B. und
die Malersignierung L. VAN. SCHOOR. Dr. von Birk glaubt einen Jan van der Borght
als Wirker annehmen zu müssen. Augenscheinlich handelt es sich um Meister Jakob.

Es folgen die vier Weltteile durch typische Szenen veranschaulicht. Europa wird
mit dem römischen Karneval identifiziert. Der Festwagen mit Zeus als Stier, die schöne
Europa auf dem Rücken, macht den Zusammenhang erst verständlich. Asia wird durch
eine Karawane (Abb. 362), Afrika durch einen tafelnden Mohrenfürsten, Amerika durch
Eingeborene, die mit Europäern Tauschgeschäfte treiben, verkörpert. Die vier Teppiche
tragen die Signierungen F. V. D. BORGHT bzw. P. V. D. B O R G H T. Wieder-
holungen der außerordentlich dekorativen Folge sind nicht selten. Ein Europateppich
findet sich im Charlottenburger Privatbesitz mit dem Namen Meister Peters; das Kölner
Kunstgewerbemuseum kann eine Wiederholung des Asiateppichs von Franz van der
Borght aufweisen. Eine Wiener Serie von 13 Teppichen — die bereits von Jakob van
der Borght gepflegte Bauernfolge nach Bildern David Teniers II. — trägt auf der
Mehrzahl der Behänge den Namen Meister Peters, auf einigen auch den des Franz van
der Borght.

Verschiedene Folgen der österreichischen Staatssammlung — u. a. Szenen aus dem
Bauernleben, sechs Teppiche, signiert F. V. D. B. bzw. F. V. D. BORGHT — entstammen
dem Atelier des Meister Franz, dessen Betrieb augenscheinlich den seines Neffen über-
flügelte. Von besonderer Eigenart ist die aus neun Teppichen bestehende Geschichte
Roms, ferner eine mit drei Behängen nur unvollständig erhaltene Jagdfolge.

Der ausländische Kunstbesitz weist eine stattliche Anzahl von Wandteppichen aus
den verschiedenen Ateliers der van der Borght auf. Allein etwa sechs bis acht Teniers-
folgen lassen sich feststellen — das Gobelinmuseum zu Paris besitzt den Fischmarkt
und den Gemüsemarkt —, den „fins Teniers" im Turiner Schlosse dürfte der Preis
zuzusprechen sein. Das Lebenswerk der berühmten Wirkerfamilie ist derart umfang-
reich, daß nur eine ausgedehnte Sonderabhandlung dem bekannt gewordenen Nach-
laß an Bildwirkereien gerecht werden kann.

Außer den Behängen mit Motiven aus dem Landleben (Abb. 365), den Szenen aus dem
„frischen, fröhlichen" Krieg, in dem die Marketenderinnen eine nicht zu unterschätzende
Rolle spielen, sind Bildteppichreihen zu nennen, die ihren Stoff der Mythologie, dem
Alten und Neuen Testamente und der Heiligengeschichte entnehmen.

Zu den besten Arbeiten gehören die acht Teppiche, die dem Heilandsleben gewidmet
sind und noch heule einen Schmuck der Erlöserkirche — ursprünglich in der Kirche
Saint-Donatien — zu Brügge bilden (Abb. 364). Jan van Orley schuf die Entwürfe;
Heinrich van Susteren, Bischof von Brügge, war 1731 der Besteller. Außer vier An-
tependien enthält die Reihe, die insgesamt auf 46 000 Gulden zu stehen kam, folgende
Darstellungen: die Anbetung der Hirten, Jesus unter den Schriftgelehrten, die Hoch-
zeit von Kanaan, der wunderbare Fischzug, Christus und die Sünderin, der Einzug des
Herrn in Jerusalem, Kreuztragung und Auferstehung.

Franz van der Borght sind zwei eigenartige Bildteppiche zuzuschreiben, die an
hohen Festtagen den Chor der Brüsseler Sankt Gudulakirche schmücken. Die Durch-
führung ist vollkommen bildmäßig, eine Bordüre ist nicht vorgesehen. Es handelt
sich um die Wiedergabe einer alten judenfeindlichen Legende, die Geschichte der
durchbohrten Hostien, die sich 1585 abgespielt haben soll. Der erste Teppich schildert
die Entweihung, der zweite die feierliche Zurückbringung der Hostien. Die Signierung
besagt: F. V. Dr. BORGHT.

Die Teppiche stammen aus der Spätzeit des Ateliers. Sie kamen 1770 als fromme
Gabe in den Besitz der Kirche.

400
 
Annotationen