G e n t
erbringen. Die genauere Durchsicht der städtischen Archive, die die Frage in einwand-
freier Weise klären könnte, war mir leider verschlossen.
Erst zu Ende des 15. Jahrhunderts finden sich einige Tatsachen, die die Möglichkeit
einer selbständigen Manufaktur — sofern es sich nicht lediglich um Tapisseriehändler
handelt — nahelegen. Um 1478 liefert ein Peter van Borselaere an die „Vrije" zu
Brügge — das bekannte vierte Glied Flanderns — einen kleinen Wandteppich mit
dem Wappen der Grafschaft. Im Juni 1419 verkauft Catharina Croecx zu Gent an den
Amsterdamer Kaufmann Jacob Kyve „XLVIII ghendssche stucken tappytserien"; die
Zahl 48 spricht entweder für Klein Wirkereien, vielleicht Kissenblätter, oder für gewebte
Stoffe, die nach dem damaligen Sprachgebrauche gleichfalls unter dem Namen Tapis-
serien gehen. Donnet erwähnt in seinen „Documents pour servir ä l'histoire des ateliers
de Tapisserie" 1479 einen Genter „tapytwerker" Gilles de Herdt. Die Bezeichnung
„tapytwerker", nicht „tepytwever", erscheint von wesentlicher Bedeutung. Wichtiger
ist vielleicht noch die Tatsache, daß der Schwiegervater des de Herdt, Jan de Cock,
zu den Mitgliedern der Antwerpener Wirkerzunft zählt.
Zu Ende des 15. Jahrhunderts ist die altberühmte Genter Tuchindustrie in voller
Auflösung; die Weberzunft bildet zwar noch das „dritte" Glied der Bürgerschaft, der
Name bezeichnet jedoch keine Berufsgilde mehr, sondern lediglich eine politische
Gruppe, zu der der Rest der „Wevers" einen gewissen Prozentsatz stellt,
1508, acht Jahre nach der Geburt Karls vou Luxemburg, des späteren Kaisers, weilt
die Generalstatthalterin Margarete von Österreich, gelegentlich der Durchführung der
Finanzierung des drohenden geldrischen Krieges, in dem Genter Prinzenhofe. Würdig
empfängt die selbstbewußte Stadt die hohe Dame; in dem Festsaale des Schlosses
prangen reiche Wirkereien. Ein gewisser Peter Peterzone ist an der leihweisen Her-
gabe von Wandbehängen beteiligt. Ein klarer Beweis für das Bestehen einer Genter
Manufaktur findet sich im Jahre 1531. Gerard van der Straten liefert an Wilhelm
de Ram, ein Mitglied der weitverzweigten Antwerpener Tapisseriehändlerfamilie, ein
Wirkereizimmer aus Wolle und Seide. Es handelt sich um Jagddarstellungen, die
in der Art des Motivs und in der Wahl der Bordüren der im Vorjahre von Waleram
van der Rye gelieferten Reihe entsprechen sollen. Van der Straten scheint der Ver-
mittler zu sein, van der Rye der Wirker. Der Erlaß des Genter Rates vom 25. Mai 1502,
der die auf dem flachen Lande hergestellten Wirkteppiche unter gewissen Kautelen zum
Verkaufe in der Stadt zuläßt, besagt nicht ohne weiteres, daß mit der Maßnahme ein
Schutz der ansässigen Wirkerzunft geübt werden soll. Das Genter System, das in dem
starren Festhalten an mittelalterlichen Grundsätzen nichts weniger als ein Zurückschrauben
der neuerwachten sozialen und wirtschaftlichen Bewegungen anstrebt, treibt geradezu den
städtischen Meister auf das Land, das ihm billigere Arbeitskräfte gibt, ihn von dem zum
Teil sinnlos gewordenen Ballast der Zunftordnung befreit, Was hat es für einen Zweck,
dem Genter Wirker vorzuschreiben, er darf nur so und so viele Stühle im Betrieb halten,
wenn die benachbarten Großmanufakturen, in erster Linie Oudenaarde, sich um die obrig-
keitlichen Edikte nur insoweit kümmern, als es ihrem Vorteile entspricht. Das Ideal der
Konkurrenzausschaltung, der handwerklich hochwertigen Arbeit, zerbröckelt unter dem
Drucke des kapitalistischen Systems. Noch zu Ende der dreißiger Jahre verlangt der
Genter Starrsinn die Unterbringung der gesamten Leinenindustrie in der Umgebung
der Stadt, um sämtliche Vorteile des neuen GewTerbezweiges — das Wasser der Lys
ist besonders geeignet für das Rotten des Flachses — den städtischen Zunftgenossen
zuzuwenden.
Mitte August 1539 macht sich die gespannte Lage in einem Aufstande gewaltsam Luft.
Zusammen mit dem „Gliede" der Weber sind in erster Linie die Genter Hautelissiers
an den Unruhen, dem letzten krampfhaften Aufzucken der sterbenden mittelalterlichen
Städte Wirtschaft, beteiligt. Pinchart führt diese Tatsache zu Unrecht als Beweis der
Stärke der Genter Wirkerzunft an. Das bekannte Edikt Kaiser Karls V. vom 16. Mai
1544 erwähnt Gent unter den Städten, in denen der Wirkereibetrieb zünftig geübt
wird. Der Rat kümmert sich im übrigen nur wenig um den kaiserlichen Erlaß. Ähn-
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erbringen. Die genauere Durchsicht der städtischen Archive, die die Frage in einwand-
freier Weise klären könnte, war mir leider verschlossen.
Erst zu Ende des 15. Jahrhunderts finden sich einige Tatsachen, die die Möglichkeit
einer selbständigen Manufaktur — sofern es sich nicht lediglich um Tapisseriehändler
handelt — nahelegen. Um 1478 liefert ein Peter van Borselaere an die „Vrije" zu
Brügge — das bekannte vierte Glied Flanderns — einen kleinen Wandteppich mit
dem Wappen der Grafschaft. Im Juni 1419 verkauft Catharina Croecx zu Gent an den
Amsterdamer Kaufmann Jacob Kyve „XLVIII ghendssche stucken tappytserien"; die
Zahl 48 spricht entweder für Klein Wirkereien, vielleicht Kissenblätter, oder für gewebte
Stoffe, die nach dem damaligen Sprachgebrauche gleichfalls unter dem Namen Tapis-
serien gehen. Donnet erwähnt in seinen „Documents pour servir ä l'histoire des ateliers
de Tapisserie" 1479 einen Genter „tapytwerker" Gilles de Herdt. Die Bezeichnung
„tapytwerker", nicht „tepytwever", erscheint von wesentlicher Bedeutung. Wichtiger
ist vielleicht noch die Tatsache, daß der Schwiegervater des de Herdt, Jan de Cock,
zu den Mitgliedern der Antwerpener Wirkerzunft zählt.
Zu Ende des 15. Jahrhunderts ist die altberühmte Genter Tuchindustrie in voller
Auflösung; die Weberzunft bildet zwar noch das „dritte" Glied der Bürgerschaft, der
Name bezeichnet jedoch keine Berufsgilde mehr, sondern lediglich eine politische
Gruppe, zu der der Rest der „Wevers" einen gewissen Prozentsatz stellt,
1508, acht Jahre nach der Geburt Karls vou Luxemburg, des späteren Kaisers, weilt
die Generalstatthalterin Margarete von Österreich, gelegentlich der Durchführung der
Finanzierung des drohenden geldrischen Krieges, in dem Genter Prinzenhofe. Würdig
empfängt die selbstbewußte Stadt die hohe Dame; in dem Festsaale des Schlosses
prangen reiche Wirkereien. Ein gewisser Peter Peterzone ist an der leihweisen Her-
gabe von Wandbehängen beteiligt. Ein klarer Beweis für das Bestehen einer Genter
Manufaktur findet sich im Jahre 1531. Gerard van der Straten liefert an Wilhelm
de Ram, ein Mitglied der weitverzweigten Antwerpener Tapisseriehändlerfamilie, ein
Wirkereizimmer aus Wolle und Seide. Es handelt sich um Jagddarstellungen, die
in der Art des Motivs und in der Wahl der Bordüren der im Vorjahre von Waleram
van der Rye gelieferten Reihe entsprechen sollen. Van der Straten scheint der Ver-
mittler zu sein, van der Rye der Wirker. Der Erlaß des Genter Rates vom 25. Mai 1502,
der die auf dem flachen Lande hergestellten Wirkteppiche unter gewissen Kautelen zum
Verkaufe in der Stadt zuläßt, besagt nicht ohne weiteres, daß mit der Maßnahme ein
Schutz der ansässigen Wirkerzunft geübt werden soll. Das Genter System, das in dem
starren Festhalten an mittelalterlichen Grundsätzen nichts weniger als ein Zurückschrauben
der neuerwachten sozialen und wirtschaftlichen Bewegungen anstrebt, treibt geradezu den
städtischen Meister auf das Land, das ihm billigere Arbeitskräfte gibt, ihn von dem zum
Teil sinnlos gewordenen Ballast der Zunftordnung befreit, Was hat es für einen Zweck,
dem Genter Wirker vorzuschreiben, er darf nur so und so viele Stühle im Betrieb halten,
wenn die benachbarten Großmanufakturen, in erster Linie Oudenaarde, sich um die obrig-
keitlichen Edikte nur insoweit kümmern, als es ihrem Vorteile entspricht. Das Ideal der
Konkurrenzausschaltung, der handwerklich hochwertigen Arbeit, zerbröckelt unter dem
Drucke des kapitalistischen Systems. Noch zu Ende der dreißiger Jahre verlangt der
Genter Starrsinn die Unterbringung der gesamten Leinenindustrie in der Umgebung
der Stadt, um sämtliche Vorteile des neuen GewTerbezweiges — das Wasser der Lys
ist besonders geeignet für das Rotten des Flachses — den städtischen Zunftgenossen
zuzuwenden.
Mitte August 1539 macht sich die gespannte Lage in einem Aufstande gewaltsam Luft.
Zusammen mit dem „Gliede" der Weber sind in erster Linie die Genter Hautelissiers
an den Unruhen, dem letzten krampfhaften Aufzucken der sterbenden mittelalterlichen
Städte Wirtschaft, beteiligt. Pinchart führt diese Tatsache zu Unrecht als Beweis der
Stärke der Genter Wirkerzunft an. Das bekannte Edikt Kaiser Karls V. vom 16. Mai
1544 erwähnt Gent unter den Städten, in denen der Wirkereibetrieb zünftig geübt
wird. Der Rat kümmert sich im übrigen nur wenig um den kaiserlichen Erlaß. Ähn-
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