Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
D o u a i

D o u a i.

Die Geschichte der Bildwirkerei zu Douai ist nur in mangelhaften Umrissen bekannt.
Die Nachkriegsverhältnisse machten ein Urkundenstudium an Ort und Stelle leider
unmöglich. Die Stadt scheint sich im übrigen zu keiner Zeit eines Ateliers von Ruf
erfreut zu haben. Alexander Pinchart bringt in dem 3. Bande der Histoire g£n6rale
de la tapisserie mehrere Inventarauszüge, u. a. das Mobilienverzeichnis der Saint-Ame-
kirche. Es fehlt zunächst der Nachweis, daß die erwähnten Wappenteppiche und
Kissen einer heimischen Manufaktur ihre Entstehung verdankten. Immerhin ist die
starke Möglichkeit vorhanden, daß Douai, wie so viele flandrische, Hennegauer, bra-
bantische und holländische Städte und Städtchen, kleine, rein handwerklich betriebene
Ateliers in ihren Mauern bargen, die die Kissenblätter „de haulteliche" (1386), „a une
aigle noire", „a trois lyons" (1479), „a un cherf (cerf) attendant merchy" (1484) oder
wa une licorgne (licorneV* als Spezialität fertigten.

Die gleiche Unklarheit besteht für das 16. Jahrhundert. Die Versteigerung der Samm-
lung Richard von Kaufmann (1) brachte u. a. einen gut durchgeführten Wandbehang
— die Entführung der Europa, 3,50 m hoch, 5,00 m lang — von stark Brüsseler
Gepräge, der in der Wirkerkante unten links als Stadtmarke D—D zeigt. Bis-
lang ist mir eine ähnliche Signatur nicht begegnet; die Deutung auf eine Meister-
marke, die sich übrigens in der Regel in der Mitte oder auf der rechten Seite der
Lisiere befindet, ist nicht angängig. Es wäre demnach die Möglichkeit nicht aus-
geschlossen, daß ein Brüsseler Meister zu Ende des 16. Säkulums in Douai einen
Wirkereibetrieb ins Leben rief. Der gleichen Werkstatt wäre dann vielleicht der
1597 datierte allegorische Bildteppich in Douai zuzuschreiben; eine Frauengestalt — die
Niederlande — erwehrt sich der vier erbittert anstürmenden Furien — Neid, Argwohn,
Ehrsucht und Geiz —; die Wappenschilder der 17 treugebliebenen Provinzen decken
die Bordüre.

1667 ziehen die Truppen Ludwigs XIV. in Douai ein; durch den Aachener Frieden
fällt die Stadt an Frankreich. Das neu erschlossene Absatzgebiet lockt, ähnlich wie
in Lille, wanderlustige Meister der Stammlande zur Niederlassung. 1679 erscheinen
Franz und Andreas Pannequin (Pannemaker) in Douai. Ob das Entgegenkommen des
Stadtrates sich als ungenügend erwies, oder die erhofften goldenen Berge ausblieben,
schon nach kurzer Zeit kehren die beiden Unternehmer der Stadt den Rücken. Sie
sind zunächst in der Pariser Staatsmanufaktur tätig und lassen sich 1684 in Lille nieder.
Um 1692 verlegt Andreas Chivry vorübergehend seinen Betrieb nach Douai. Zu Beginn
des 18. Säkulums ist kein Atelier mehr nachweisbar. Die Schöffen verhandeln 1705
mit dem Liller Wirker Jakob Deletombe, dem Mitinhaber der Manufaktur Andreas
Pannemaker-Deletombe, zwecks Lieferung der „Histoire des anges" — sechs Teppiche —
nach den Kartons des Arnold de Vuez (Wuez, geb. 1642, gest. 1720). Die Folge stellt
sich auf 2000 fl.; der Liller Kartonzeichner wird mit dem verhältnismäßig hohen Betrage
von 600 Florins abgefunden.

Im zweiten Dezennium des 18. Säkulums macht der Rat der Stadt, den der Ruhm
der Nachbarorte nicht schlafen läßt, energischere Anstrengungen, sein soziales Empfinden
durch Begründung neuer Unternehmungen zu beweisen. Er sichert 1714 der Witwe
des Andreas Duquesne 2000 fl. Übersiedelungsgelder zu, sofern sie das Atelier mit
30 Stühlen sechs Jahre hindurch im Gange hält. Die Anforderung einer derart enormen
Zahl von Gezeugen ist sinnlos, sofern die Atelierinhaberin ihren Betrieb nicht lediglich
auf die Erzeugung von Möbelwirkereien einzustellen beabsichtigt. Der Versuch miß-
lingt gründlich, das Parlament mischt sich ein, zu Ende des Jahres 1717 verläßt die
Witwe die Stadt, nachdem zuvor eine Rückvergütung von 1100 fl. voraufgegangen ist.
Ebenso kläglich verläuft die Niederlassung des Lievin Schietekate, eines reichlich un-

506
 
Annotationen