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Enghien

damaligem Brauche etwas langsam vonstatten; erst 1549 gelangt die restliche Rate zur
Tilgung.

Den Arbeiten des Meisters scheint ein guter Ruf voraufgegangen zu sein. 1545
erteilt ihm Karl von Croy, der Bischof von Tournai, den Auftrag auf eine leider nicht
näher benannte Folge. Ob die Verbindung mit dem Kirchenfürsten sich später löst,
oder der Wirker vor 1554 verstirbt; die weiteren Arbeiten des Bischofs gehen jeden-
falls nicht mehr nach Enghien, sondern werden Tournaiser Meistern, wie Jehan Martin d. J.,
übertragen.

Schwierigkeiten bei der Durchführung des bekannten Ediktes Kaiser Karls Y. von
1544 scheinen in Enghien nicht entstanden zu sein. Der erste allerdings lebhafte Miß-
klang datiert vom Jahre 1559.

Die Statthalterin Margarete von Parma erwirbt von dem Brüsseler Tapisseriehändler
Nikolaus Hellinck einen nicht näher erläuterten Wirkteppich; der bekannte Brüsseler
Wirker und Sachverständige Wilhelm de Pannemaker beschuldigt den Kaufmann des
groben Betruges. Er habe die Marke von Enghien, die der betreffende Teppich ge-
tragen habe, entfernt und durch das Brüsseler Zeichen ersetzt. Es folgen lange Ver-
handlungen und Untersuchungen, die insofern von besonderem Interesse sind, als die
Güte der umstrittenen Manufaktur Enghien eingehend zur Sprache kommt, Hellinck
gibt einen Betrug in irgend einer Form nicht zu, das Stück stamme aus Enghien, es
sei hinsichtlich seiner Marke in keiner Weise verändert. Die Signierung von Enghien
EON lasse eine Verwechslung mit Brüssel BoB leicht zu, übrigens fertige man in
Enghien „aussy bon ouvraige qu'en ceste ville (Brüssel)". Das letztere Zeugnis, aller-
dings als eine Art Rechtfertigung gegeben, ist für die Bewertung der Arbeiten der
Manufaktur von gewisser Bedeutung. Es scheint für die Zeit von etwa 1525—1560
berechtigt zu sein; das Urteil des venetianischen Botschafters Marino Cavalli, der 1551
verschiedene flämische Industriezentren — in allerdings etwas oberflächlicher Weise —
besichtigt, stellt Enghien in eine Reihe mit Brüssel und Oudenaarde. Auch der ge-
wissenhaftere italienische Historiker Luigi Guicciardini (6) äußert sich in ähnlichem
Sinne.

Immerhin wirbelt die Affaire Hellinck, der im Bewußtsein der Güte der von ihm
gelieferten Wirkerei sich zur Zurücknahme bereit erklärt, wsy Son Alteze ne se con-
tente d'icelles'* viel Staub auf und führt zu wenig erfreulichen Erlassen.

Die Religionsstreitigkeiten und die damit zusammenhängenden Wirren gehen an
Enghien nicht spurlos vorüber. Es kommen politische Schwierigkeiten hinzu; der Über-
gang der Stadt an das Haus Bourbon-Vendöme, bzw. Navarra, scheint dem künstleri-
schen Leben des Ortes keine sonderliche Förderung gebracht zu haben (7).

1567 verlassen die Wirker Jehan Larchier, Berthout de Cautere, Adrian de Pluckere,
Jean Cols und Nicolas Provyns die Stadt (8). Die Maler Peter Huart und Vinzenz van
Geld ere — es handelt sich wahrscheinlich um Patronenzeichner — schließen sich ihnen
an. Die dauernde Landesverweisung wird über die Flüchtlinge ausgesprochen. Andere
Wirker siedeln nach Antwerpen über, auch Deutschland wird vielfach Zufluchtsort
der Emigranten. Unter anderen finden wir den Enghiener Wirker Samson Faber
1553 in der Manufaktur des Heinrich von der Hohenmuel in Dresden (9). Mit dem
Jahre 1590 scheint die Blütezeit Enghiens abgeschlossen zu sein. Die Handelsverbin-
dungen mit Antwerpen bleiben bestehen. Unter den durch die Pantplünderung (1577)
schwer betroffenen Händlern und Wirkern erscheinen auch mehrere Mitglieder der
Manufaktur Enghien (10). So ver liert Quentin Flascoen eine Geschichte Josephs —
acht Teppiche —, Nicolas de Dobbeleer büßt eine Folge «boscaiges" — acht Behänge —
und verschiedene „spolieres" ein, Philipp van der Cammen werden die Historie Abra-
hams (fünf Stück) und zwei mit Gold durchwirkte kleinere Behänge — Abendmahl
und biblische Szenen —, Johann van der Cammen eine Verdürenfolge (acht Teppiche)
geraubt. Der schon erwähnte Brüsseler Händler Nikolaus Hellinck verliert acht «bos-
caiges d'Enghien", die typischerweise mit seinem Monogramme signiert sind. Digne
de Rousseau vermißt fünf «spolieres de verdures". Ob tatsächlich sämtliche Teppiche

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