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Amslerda m Schoo nhoven

Meister Pieters zu entstammen. Daß de Cracht die Serie mehrfach fertigte, beweist der Ver-
trag vom 3. Juli 1646, in dem sich der Meister dem Brüsseler Händler de Raet gegenüber
verpflichtet, wte maecken en te leveren de navolgende tapitseryen: 1 stuck lang . .
daer Eneus 'tscheep ist, met zyn scheepsvlooten; 1 stuck wesende een nachtbancket;
2 stucken, 't eene, daar Eneus by Dido compt, 't ander daer de Coninck Jarbas hem
beclaecht over Dido, 1 stuck daer Yenus en Juno in de locht comen; 2 stucken, 't eene
daer Mercurius bij Eneas compt, 't ander de desperatie van Dido". Die Patronen —
8 Ellen hoch (5,56 m) — sind von de Raet zu stellen. Außer Karmoisinseide für den
Grund kommen Gold- und Silberfäden mit zur Verwendung. Der Einheitspreis beläuft
sich auf 18 Gulden 12 Stuivers (12). Vor dem Haagher Notar fungieren als Zeugen
der Wirker Emanuel van Quickelberghe und Crijnsen Blijnkersduijn.

Die schwedische Reihe „Scener ur Aeneiden ochs Roms sagohistoria" — Lit N des
Stockholmer Inventars — ist durchschnittlich 4,90 m hoch; die Differenz (gegenüber
5,56 m) ist an und für sich nicht ausschlaggebend. Jede gängige Folge wird in min-
destens zwei, bisweilen in drei und mehr Höhenabmessungen hergestellt; die Belege
des Brüsseler Reydams-Leyniers-Konzerns bringen klassische Beispiele. Wir finden
die Ankunft des Äneas, die Vorstellungen des Königs Jarbas, Venus und Juno in den
Lüften, Merkur und Äneas, die verzweifelte Dido am flammenden Scheiterhaufen; die
Schilfsszene und das Nachtmahl fehlen (Abb. 478). Die Farbengebung der Stockholmer
Folge spricht nicht unbedingt für Brüssel. Die Figuren des Hintergrundes schildern
in grauen, blau und schwarz modellierten Tönen. Im übrigen findet sich ein schönes
Rot neben Grün, Blau und Gelb. Die Bordüre der Äneasfolge zeigt sich mit geringen
Abweichungen bei einem weiteren Teppich des schwedischen Kronschatzes, der Bären-
hatz. Zu der gleichen Serie gehört die Wildschweinsjagd, die die Rahmung völlig
eingebüßt hat (Abb. 479). Wahrscheinlich entstammen die beiden Behänge gleichfalls
der Manufaktur des Pieter de Cracht.

Von Interesse sind zwei Fragmente im Kaiser-Friedrich-Museum zu Posen, die viel-
leicht der Folge der kämpfenden Tiere nahestehen (Abb. 481).

Pieter de Cracht stirbt vor 1662. In der Werkstättenvereinbarung vom 2. März 1662
erscheinen nur Abraham und Jakobus de Cracht «basen van de Tapijtwerckers", die
gemeinsam mit den Delfter Meistern Maximilian, Bartholomeus und dem Inhaber der
Goudaer Filiale Pieter van der Gucht die Abmachung treffen, daß Gesellen der Manu-
fakturen Delft, Schoonhoven und Gouda nur dann in einen befreundeten Betrieb über-
nommen werden dürfen, sofern ein zufriedenstellendes Zeugnis des alten Arbeitgebers
vorliegt und die von dem betreffenden Wirker begonnene Arbeit vollendet ist. Die
Anregung zu dieser durchaus gesunden Maßnahme, die eine ungleichmäßige Durch-
führung der Behänge zu unterbinden sucht, geht von dem Rate der Stadt Gouda aus.

Die beiden de Cracht betreiben demnach ihr Atelier nicht in Amsterdam, sondern
in dem kleinen am Lek gelegenen Städtchen Schoonhoven. Ob es sich um eine Filiale
Pieter de Crachts handelt, oder die Verbindungen der Manufakturen Amsterdam und
Schoonhoven nur lockerer Natur sind, steht dahin.

Ähnlich hegen die Verhältnisse bei der schon erwähnten Manufaktur des Joris Nau-
wincx. Er besitzt (1629) außer seiner Amsterdamer Werkstatt in der Calverstraet ein
Atelier in ude winkel van tapitserye tot Schonhoven" (13). Maßgebend für den Meister
waren wahrscheinlich die billigeren Lohn- und Lebensverhältnisse des kleinen Ortes.
Die Schoonhovener Wirkerkolonie geht im übrigen auf den Ausgang des 16. Säkulums
zurück. J. F. Petit berichtet 1615 in den „Eygentlycke beschryvinge der vrye Neder-
landsche provinciön": „Onlancx (um 1600) hebben de Heeren Magistraten daer (Schoon-
hoven) aengelockt veel tapytwerckers, soo uyt Viaenderen, als uit Brabant, die daer
schoone ende costelicke tapyten maecken welghesocht ende vercocht der stadt ter
eere en tot profyt der borgeren". H. van Berkum fußt in seiner „Beschryving der
Stadt Schoonhoven" (S. 332/333) auf der gleichen Quelle: „eenige van de door hun
(die Schoonhovener Wirker) gemaakte Tapyt-stukken worden nog gesien, in de Vergader-
Kamer van de Staten van Holland, in den Haag."

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