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Amsterdam

Schoonhoven

Nauwincx' Amsterdamer Betriebe entstammt eine Josephsfolge; ein Probestück geht
im Oktober 1631 an einen Sr Cornelius de Vogel „omme 't selve te senden tot de
stad Graeve." Es kann sich, dem Einheitspreise nach zu urteilen (f. 3. 4. st.), nur um
gängige Ware gehandelt haben. Am 20. November des gleichen Jahres bezieht Meister
Joris für eine Abrahamsreihe, „Abrahams offerhande", von acht Behängen den Rest-
betrag von 645 Gulden 10 Stuivers. 1639 tritt der Meister mit dem Rate der Stadt
Leiden in Verbindung. Der Rechnungsbeleg vom 15. Juni 1639 im Leidener Ordon-
nantieboek (N. fol. 102) gibt ausführlichen Aufschluß über die Art des Auftrages. Es
handelt sich um elf kleinfigurige Verdüren, neun Wandteppiche und zwei Passtücke
unter den Fenstern, mit insgesamt 240 Quadratellen; der Einheitspreis wird mit sieben
Gulden normiert. Fünf Teppiche der Folge sind verloren gegangen, den Rest — sechs
große Behänge — birgt das Rathaus zu Leiden. Die Arbeit steht über dem Durch-
schnitt; Frauengestalten beleben die Vorderbühne, prächtige Gärten, Terrassen und
Schloßanlagen schließen die Szene. Die photographische Aufnahme bereitete infolge
der ungünstigen Belichtung Schwierigkeiten, die Abbildung vermittelt nur unvollkommen
die Eigenart der Behänge. Dunkelgrün und Braun erscheinen als markanteste Farben.

Wann die Nauwincx'schen Ateliers ihre Pforten schließen, entzieht sich zunächst
meiner Kenntnis. 1675 ist in Schoonhoven ein Meister Franz Guys tätig; er steht mit
dem Goudaer Wirker Johannes Scheerder in geschäftlicher Verbindung.

Die maßgebende Amsterdamer Manufaktur zu Beginn des 18. Säkulums verkörpert
sich in dem Unternehmen des aus Oudenaarde 1697 eingewanderten Alexander Baerl
Am 21. November 1698 schließt der Rat mit dem Meister einen Vertrag dahingehend
ab, daß seinen Söhnen (Johann, Alexander, Jakob) und Töchtern das Einbürgerungs-
recht gewährleistet wird; die Wirker genießen Freiheit von Stadtzoll und Wachtdienst;
die Miete für das Atelier an der Utrechter Pforte wird auf jährlich 150 Gulden, ab
1. Mai 1699, festgesetzt (14). Der wachsenden Bedeutung des Unternehmens ent-
sprechend eröffnet Baert zu Beginn des Jahres 1701 einen Verkaufs- und Ausstellungs-
raum im Zentrum der Stadt „aan de linkerhand voor de lakenhal."

Das Atelier gelangt in kurzer Zeit zur Blüte, in dichterischer Begeisterung besingt
Daniel Willinck die Kunststätte seines Freundes Baert (15).

„Daar ziet men 't jaar verdeeld in zyn' vereischte tyden;
Hier pronkt een Flora in het veldt, zoo schoon aan alle zyden
Met bloempjens opgehuld, met een gestikt gewaadt
Zo fraai versierd, van geur' en kleurig bloemsierradt.
Daar snydt men rype druif, en perst haar sap tot wynen;
Gints zie ik Ceres rot in witte dosch verschynen
Op 't rypen van het graan en voedzaam veldgewas;
Gehele rotsen rukt een Orfeus uit hare as,
En streelt met zijne lier den aardt der wilde dieren;
Kassandra's lokken om de blanke schouders zwieren,
Daar Agamemnon voor die schoonheit staat versteld.
Arions harpesnaar verrukt door 't zoet geweldt
Den stommen dolfyn, die hem op zyn rüg doedt torssen;
De landlien in hun bouw de rype grane dorssen;
En al wat schildershandt door verwen en penceel
Op 't keurigst afmaalt, toont dit doek in zijn geheel ... .a
Die Strophe ist auch insofern von Interesse, als sie uns vielleicht den Schlüssel gibt
zur Darstellung des vollsignierten, prächtigen Behanges im Hessischen Landesmuseum zu
Kassel (Abb. 483). Es handelt sich augenscheinlich um eine Episode aus der Geschichte
des Agamemnon. Der tückische Aigisthos läd, im Bunde mit der verräterischen Klytaim-
nestra, den heimgekehrten Agamemnon auf seinem Landgute zu festlichem Mahle. Be-
waffnete überfallen den harmlos Tafelnden. Der Teppich zählt mit zu den besten
Erzeugnissen der Bildwirkerei. In lebhaften Farben, «met gloeiende (glühenden)
kleuren^, schildert der Meister; der Einfluß der Oudenaarder Palette scheint getilgt.

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