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H a a r l e m

H a a r 1 e m.

Die Anfänge der Haarlemer Wirkereimanufaktur gehen auf das Jahr 1559 zurück.
Der Rat der Stadt knüpft mit einem Wirker Andries de Raedt — es dürfte sich um
Willem Andriesz de Raedt handeln, der in Gouda nach den Kartons des bekannten
Glasmalers Dirck Pietersz Crabeth arbeitete -— Übersiedlungsverhandlungen an. Die
Bedingungen sind die üblichen, sie bestehen in einem Vorschusse von 400 Carolus-
gulden, die Rückzahlung hat im Laufe von acht Jahren zu erfolgen. Steuerfreiheit auf
Bier wird, wie in anderen Fällen, auch hier zugesagt. De Raedt hat als Gegenleistung
den Wirkerei Unterricht bei den ihm überwiesenen Bürgerkindern zu übernehmen. Ob die
Übersiedelung tatsächlich erfolgte und welche Arbeiten der Goudaer Wirker ausführte,
ist vorerst nicht festzustellen. An und für sich erschien Haarlem durch seine zahlreiche
Malerkolonie für ein Wirkereiunternehmen besonders begünstigt. Von Wurzbach (1)
erwähnt u. a. den bekannten Haarlemer Historienmaler Marten Jacobsz van Heems-
kerk (f 1. 10. 1574), der auch als Patronenzeichner tätig war. Die Oud Kerk zu
Amsterdam besaß außer mehreren Altarbildern von der Hand des Meisters vier reich
mit Gold durchwirkte Wandteppiche nach seinen Entwürfen. Ob diese in Haarlem,
oder wie Wagenaar will, in Leiden in dem Atelier de Raedts entstanden sind, ist
zweifelhaft. Die Kostbarkeit des Materials läßt eher auf eine der führenden Manufak-
turen, in erster Linie auf Brüssel schließen.

Um 1629 finden wir in Haarlem wiederum einen Wirker urkundlich erwähnt. Es
handelt sich um Joseph Thybout (Thienpond) (2).

Die wesentlichste Arbeit, die sich mit dem Namen des Meisters verknüpft, ist der
lange schmale Behang mit der Schilderung der Einnahme von Thamiatis (Dumyät,
Damiette) durch die Kreuzfahrer. Der Teppich befindet sich noch an der alten Stelle,
in der „oude Vroedschapskamer" des Haarlemer Rathauses. Die Haarlemer Kogge des
Johannes a Leidis durchbricht als erste den mit Ketten gesperrten phatnitischen Nilarm.
Ihr folgt als zweite eine deutsche Galeere mit dem kaiserlichen Wappen(3). Die übrigen
Schiffe tragen die verschiedenartigsten Hoheitszeichen (Abb. 507).

Als Patronenzeichner erscheinen in den Stadtrechnungen der bekannte Haarlemer
Landschafts- und Marinemaler Cornelis Claesz van Wieringen, der Hauptkonkurrent
Hendrik Vrooms, sowie der Kupferstecher und Glasmaler Pieter Holsteijn der Ältere,
gleichfalls in Haarlem ansässig. Meister Wieringen entwirft die Skizze, Holsteyn über-
trägt den Karton in natürliche Größe. Thybout bezieht für den 57 Quadratellen großen
Wandbehang 2300 <£\ Wieringen wird mit 300 und Holsteijn mit 225 abgefunden.
Es kommen noch kleinere Unkosten hinzu, u. a. 25 <£ für Bier an die Wirkergesellen,
so daß schließlich das Stück alles in allem sich auf 2870 flämische Pfund stellt. Als
Sachverständiger des Rates fungierte bei der Abnahme der Utrechter Wirker Jan van
Hobooken.

Ein zweiter Teppich (1372 Quadratellen) bringt Haarlems Wappen Vermehrung ge-
legentlich des Damietter Erfolges. Graf Wilhelm I. von Holland empfängt kniend das
neue Hoheitszeichen der Stadt, Kaiser Barbarossa präsidiert dem feierlichen Akte
(Abb. 508).

Als entwerfender Künstler wird diesmal der Haarlemer Maler und Radierer Pieter
Fransz De Grebber genannt, der im Gegensatze zu der etwas kalten Art Wieringens
in Farbengebung und Komposition mehr der Rubensschen Malweise zuneigt. Der
Karton ist noch in Haarlem vorhanden, er trägt die Signatur P. D. G. 1630. Die Ge-
samtunkosten für den dritten Behang beziffern sich auf 819 <£ 4 sch.

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