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im Chorumgang der Marienkirche1) vom Jahre 1494 (Tafel 15), also
10 Jahre jünger, welche;; geschlossen, auf der Aussenseite grau in
grau Christus am Kreuz, Johannes, Maria und St. Hieronymus zeigt,
im Innern die Kreuzigung und den Tod der Maria; ferner, diesem
ausserordentlich nahe stehend, wohl von demselben Meister ein
Triptychon im Schweriner Museum (Tafel 16) -) mit 4 Einzelheiligen
auswendig, inwendig dagegen mit Maria, Joachim und Anna im Mittei-
theile und 4 Scenen aus dem Leben Joachims und Anna auf den
Flügeln. Die Herkunft aus Lübeck wird dadurch bestätigt, dass
das eine Flügelbild, die Begegnung von Joachim und Anna, im
Hintergrund die Thürme dieser Stadt zeigt/')

Auch befinden sich in der Vorhalle des Ratzeburger Domes
zwei sehr defecte Altarflügel,1) inwendig mit je acht in Holz ge-
schnitzten Einzelheiligen, aussen bemalt. Die stark verletzten Bilder,
worunter auch die Kreuzigung, weisen das Werk ebenfalls dieser
Gruppe zu. Ratzeburg stand in sehr naher Beziehung zu Lübeck,
besonders durch den Wasserverkehr auf der Wakenitz, und auch
sonst ist uns die Versorgung des Stiftes Ratzeburg mit Lübecker
Werken überliefert.0)

Endlich das jüngste dieser Bilder ist das grosse Diptychon
(Taf. 17 u. 18) über dem Schonenfahrerges»ühle in der Lübecker
Marienkirche, laut Inschrift vom Jahre 1501. Die grau gehaltene
Malerei aussen stellt die Madonna in der Glorie dar, von Engeln
in Wolken umschwebt, unter sieh das Lamm mit Johannes dem
Täufer und Johannes dem Evangelisten zur Seite, die Innenbilder
die Anbetung der Könige und die Kreuzigung, die Predella Christus
und die vier Kirchenväter in Grau.

Also mehr als drei Jahrzehnte hindurch ist diese Gruppe zu
verfolgen, und zwar ist dabei eine beständige Steigerung in dem
Reichthum der Darstellung und der Fülle der Gestalten zu bemerken.
Beachtenswerth ist auch die Menge kleiner genrehafter Kinderscenen,
wie sie sich zahlreich auf den beiden Diptychen der Marienkirche
befinden, wie sie mir aber bei niederländischen Darstellungen der
Kreuzigung nicht aufgefallen sind.

Vielleicht ist auch die grosse gemalte Altartafel mit der Gregors-
messe in der Bergenfahrercapelle zu St. Marien einem Lübecker
Maler aus der besprochenen Zeit zuzuschreiben, doch deckt sich
die Malweise nicht völlig mit dem genannten Hilde.

Welche Gestalt diese Gruppe annimmt, sobald sie sich wirk-
lich enger an niederländische Vorbilder anschliesst, das sehen wir
an einem Triptychon aus der Jacobikirche, jetzt im culturhistorischen
Museum in Lübeck,0) welches ebenfalls als Mittelbild die Kreuzigung
enthält. Die ziemlich mittelmässige Arbeit, die kleinen Pferde mit
kurzen Beinen, steifem Hals und glatt auf der Stirn abgeschnittenen
Haaren, die Anbringung kleiner Schmetterlinge im Vordergründe,

, ') Dasselbe hing früher in der Orgelcapelle (K. v. Hövelen 1G6G S. 57),
später in der Bergenfahrerkapcllc [Decke Lübeck 1881 S. 10). Vielleicht ist
dies die Altartafel, welche 1494 der Maler Martin Radeleff lieferte (vergl. K.
Verz.) Wir hätten dann die Namen Hermen Rode und Martin Radeleff für
diese Gruppe in Anspruch zu nehmen.

'■') Nö. 745 des Cataloges von Schlie; es stammt aus der Kirche von
Gadebusch und trägt auf d. Predella zweimal das Wappenschild der v. Billoic.

;l) Ebenso wird im Stockholmer historischen Museum ein kleiner Schnitz-
altar aufbewahrt, welcher aus der Kirche in Salem stammt, in der Mitte die ge-
schnitzten Figuren der Madonna, eines Bischofes und St. Botvid enthält, und
dessen Flügelbilder, einzelne Heilige, den Bildern dieses Meisters von 1494
ausserordentlich nahe verwandt sind.

') Dieselben sollen zum früheren Hochaltare gehört haben.

6) Vgl. K.-Verz. unter Hans Scrirer.

°) Catalog No. 22. Der Künstler hat verinuthlich auf das Mittelbild rechts
sein eigenes Portrait gesetzt, durch doppelte Grösse vor den Kriegsknechten aus-
gezeichnet, während die Stifter bereits auf den Hügeln ihren Platz gefunden haben.

lassen es in Analogie mit den andern Werken als Lübecker Arbeit
annehmen, dagegen erkennt man das Studium niederländischer Werke-
ln der Gruppe der Frauen, die viel herber in den Gesichtern und
unruhiger und schärfer im Faltenwurf sind als die rein Lübecker
Bilder, ferner an der Architectttr des Hintergrundes, die das feine
Fialen werk der Steinkirchen deutlich nachahmt, während in den
sonstigen Bildern feste Thorthürme, Mauern und Giebelhäuser, wie
sie der Backstein schuf, die Hauptrolle spielen.

Ausser der besprochenen Gruppe sind jedoch in Lübeck noch
eine grosse Zahl von Bildern aus dem letzten Viertel des 15. Jahr-
hunderts erhalten, die allerdings von den engeren Abzeichen der
genannten Werke abweichen, die Hauptmerkmale der Zeit aber mit
ihnen theilen, nämlich das Heranziehen der Landschaft, die natür-
lichere Färbengebung und Lichtvertheilung, reichere Gewandung
und dabei noch das beständige Betonen des Anmuthigen und Ge-
mässigten. Wie schon aus der Zahl der urkundlich genannten
Maler zu schliessen ist, haben sich diese Gemälde jedenfalls auf
eine grosse Zahl von Werkstätten vertheilt, von denen eine jede
Abweichungen von der anderen zeigt, doch kann man immerhin
eine Reihe von solchen, die verhältnissmässig nahe unter einander
verwandt sind, zusammenstellen. Es wird dabei das Richtigste Sein,
womöglich immer von einem datirten Werke auszugehen.

Ein solches ist erstens eine einzelne gemalte Tafel (Taf. 19)
aus der Jacobikirche, jetzt auf dem Chore der Catharinenkirche,1)
laut alter Inschrift vom Jahre 1490. Rechts schaut die heilige
Catharina mit Rad und Schwert aus dem vergitterten Fenster ihres
Gefängnisses, links sitzt auf einem Steine der nackte gemisshandelte
Christus mit Geissei und Ruthe. Es sind im Vergleich mit den
vorigen Bildern die Köpfe viel ausdrucksvoller gezeichnet, schärfer
in den Umrisslinien wie in den einzelnen Theilen des Gesichtes;
sie machen den Eindruck von idealisirten Portraitköpfen, die Be-
handlung der Haare ist gröber, aber kräftiger, die Farben weniger
hell und grell, sondern dunkler und grauer.

Alle diese Eigenschaften theilen die Flügelbilder des Altar-
schreines No. ?> auf dem Catharinenchore, welche 4 heilige Frauen,
St. Barbara, Dorothea, Elisabeth und Maria Magdalena (Taf. 19)
darstellen und zu den besten Werken dieser Zeit gehören; ferner
die sehr schlecht erhaltenen Reste eines Flügelaltars von geringerer
Arbeit, ebenfalls mit einer Reihe von Einzelheiligen.2) (Taf. 20.)

Auch stehen diesen näher als der vorigen Gruppe eine Tafel
mit St. Patroclus und eine mit drei andern männlichen Heiligen,
beide in einer südlichen Seitencapelle der Marienkirche.

Etwas jünger erscheinen vier Tafeln, Reste eines Altarschreines
auf dem Catharinenchore No. 20 mit der Verkündigung (Taf. 21) und
Scenen aus dem Leben des heiligen Nicolaus, ferner ein Predellenflügel
ebendaselbst No. 6 mit vier Darstellungen, worunter das Begräbniss der
Maria. (Taf. 2.1.) Beide Werke sind einander in Gesichtern, Händen
und Faltenwurf so ähnlich, dass sie wohl einer gemeinschaftlichen
Werkstatt zuzuschreiben sind, an welche wir noch einen Anklang
finden in den Flügelbildern des 1506 datirten Altares mit der Ein-
hornjagd im Dome.

Stilistisch verschieden von der Bildergruppe des Lucasaltares
und der zuletzt besprochenen sind 4 Tafeln, Reste eines Altar-
schreines aus der Jacobikirche, jetzt auf dem Catharinenchore No. 27,
mit Verkündigung (Taf, 20), Heimsuchung, Anbetung des Christkindes

') Catalog No. 1.4, wo auch das Wappen der Stifterin beschrieben.
2) Ebenfalls auf dem Catharinenchore, aus der Petrikirche, doch im Cata-
loge nicht aufgeführt.

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