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Cristi tausend vierhundert achzig und drei iar uf donrstag vor Urbani warend pfleger unserer
liben frauen juncher Hans Rotlieb, Hans Heyninger, alter Zunftmeister und Conradt Hertwig
und herr Niclaus Holderman Schaffner unserer liben frauen, und ward von inen dis nochgeschri-
ben heltum und ander gezird unserer liben frauen verzeiget allenthalben in der kilchen (Kir-
che).“52 Nun folgt die beschreibende Aufzählung der einzelnen Gegenstände, wobei immer
begonnen wird mit dem Wort „Item“, was soviel bedeutet wie „auch, gleichfalls, ebenso“.
Zuerst wird ein Meßbuch genannt, von rotem Samt überzogen, dessen Vorderseite vier silber-
vergoldete Reliefs der Evangelisten zierte, während die Rückseite mit fünf vergoldeten Knöpfen
versehen war. Leider wird der Goldschmied nicht erwähnt, der für seine Arbeit im Jahre 1455
46V2 Gulden erhielt. Eine Mctallschlicße schloß das Buch, die aber schon 1565 verloren ist.
1725 wird das Meßbuch nicht mehr erwähnt.

Von 1449 stammen zwei „Levitenbücher“, die noch heute zum Münsterschatz gehören (Nr. 8).
Die vorderen Deckel sind mit Silbcrblcch beschlagen und zeigen in den vertieften Mittelfeldern
die Kreuzigung und die Krönung Mariens. Anstelle der Bcrgkristalle, die heute den Einband
schmücken, waren damals Edelsteine aus dem Besitz des Münsters dem Goldschmied zum Fassen
gegeben worden. Seit Ende des Dreißigjährigen Krieges sind sie durch „falsch stainen“ ersetzt.
Die silbernen Bücher enthielten die handgeschriebenen Texte der Evangelien und Episteln, die
während der Fronleichnamsprozession gesungen wurden, denn die Pfleger waren gehalten, „uf
Unsers Herren Fronlichnam zu bitten zwen prister ... zu den silberin buchern“53. Sie waren also
eigens für die Prozession gearbeitet worden. Wieder vermissen wir den Namen des Gold-
schmiedes. Doch müssen die Bücher sehr kostbar gewesen sein, denn ohne die Edelsteine kostete
die Herstellung allein 155x/2 Gulden.

Überraschend und beglückend ist die Erwähnung eines alten Kultbildes der Muttergottes,
„unser frauen silbre bild“. In seiner Gestalt verkörpert es die Patronin der Pfarrkirche und reicht
wahrscheinlich in die Entstehungszeit des Münsters zurück. Unser Frauen Silberbild erfreute
sich der besonderen Liebe und Verehrung der Bürger, die ihren kostbarsten Schmuck an die Figur
hängten, wie zahlreiche Eintragungen im Inventar bekunden. Daß es sich nicht um eine der
üblichen mittelalterlichen holzgeschnitzten und gefaßten Figuren handeln kann, geht schon
daraus hervor, daß sie in der Schatzkammer verwahrt wurde und unter den Arbeiten der Silber-
schmiede im Inventar erscheint. Da sie jedermann bekannt war, wird im ersten Schatzverzeich-
nis nichts über das Aussehen der Figur gesagt. Erwähnt wird nur der sie umgebende Schmuck.
Ihr Haupt zierte eine mit Perlen reich gefaßte Krone. Ein Mantel mit einer Borte aus silber-
vergoldeten Gliedern lag um ihre Schultern und war zudem mit getriebenen Spangen und Stif-
ten besetzt. Mehrere Rosenkränze von Korallen und geschliffenem Bergkristall, an denen ein
Agnus Dei, goldene, mit Perlen gefaßte Knöpfe und Medaillen mit „unser herren wolfen“
hingen, waren an dem Bild angebracht. Ein Agnus Dei und ein silbervergoldetes Kreuzchen
zierten den Hals des „kindli“. Eine bessere Beschreibung bringt erst das Inventar von 1565, wo es

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