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jenen des Scheibenkreuzes, die Kreuzigung und Auf-
erstehung findet sich am Fuß des Kelches aus dem Frei-
burger Heilig-Geist-Spital, der heute im Augustiner-
museum steht. Dies spricht eindeutig für die Entstehung
und Herkunft des Kultgerätes aus der Werkstatt des
Freiburger Goldschmiedes Johannes2.

Noch 1896 befanden sich im Schauglas Reliquien. Die
Untersuchung vom 20. Mai dieses Jahres erbrachte fol-
genden Befund. „In einem von Goldbrokat mit rohen
ornamentierten Fäden umhüllten Säckchen von rotem
Seidenstoff verschiedene mit Watte umwickelte Reli-
quien mit kleinen Zetteln aus Pergament und ein fast
ganz zerstörtes feines (Byssus-?) Gewebe. Die rings an-
genähte Pergamenturkunde auf blauseidenem Stoff be-
sagt: Reliquie de casula domini coram Herode, de
sancto Johanne baptiste, de sancta Margaretha virgine
et martire, de sancto Nicolao episcopo. Reliquie denique
undecim milium virginum et plereque alie bene haben-
de.“3 Es handelte sich also um Partikel der Gebeine
mehrerer in Freiburg besonders verehrter Heiliger,
außerdem ein Teilchen des Gewandes, das Christus
trug, als er vor Herodes stand. Von anderer Hand ge-
schrieben ist ein Zusatz auf dem Pergament an dem
Säckchen, das die Reliquien der „Elftausend Jungfrauen“
enthielt. Hier ist ausdrücklich vermerkt: „Dis heltun
kam unverwurket ab Friburg ab der bürg, ehe sie gebrochen
wart“, also vor 1366. Bei der Reliquie des späteren
Stadtpatrons Lambertus hatten die Freiburger kein so
reines Gewissen.

In der Geschichte des Münsters spielt diese Reliquien-
monstranz eine gewichtige Rolle4. M'it ihr wurde an
jedem Sonn- und Feiertag während des Gottesdienstes
für die Unterhaltung des Baues und andere die Pfarrei
betreffende Ausgaben gesammelt. Man nannte sie die
„Bitt“, d. h„ es ist die „monstranz domit man samlet“5.
Schon im Mittelalter hatten Bürgermeister und Rat
eine Verordnung erlassen, die im Anniversarbuch
eingetragen ist: „Wer mit der grossen bitt von altem har-
koment und gewonheit uf die hohe vest gangen ist und
soll.“6 In ihr ist genau festgelegt, welche Zunft oder
Gesellschaft an bestimmten Tagen mit der „Bitt“
sammeln mußte. Und zwar waren es immer drei Herrn,
denen dies Ehrenamt zukam. Gleichsam als Ausweis
ihrer Berechtigung zum Sammeln trug einer die Mon-
stranz und sagte dazu das Sprüchlein: „Steiert zu unser
Frauen Bau, Daß euch Gott vergelte und unsre liebe
Frau!“ Die Münsterpfleger waren gehalten, zu Weih-
nachten und zu Ostern drei Herrn des Adels zu bitten7.

Sie selbst sammelten ab 1506 am Feste Mariä Ver-
kündigung. Sechsmal im Jahr hatten die Kapläne der
Münsterpräsenz die Pflicht; die Mitglieder der Gesell-
schaft „zum Gauch“ an Himmelfahrt und Allerheiligen.
Die übrigen Bittgänge fielen den zwölf Freiburger
Zünften und den Stadtschreibern zu. Die drei Herrn,
die am Weihnachtsmorgen mit der „Bitt“ gingen,
wurden mit einem Essen belohnt, das ihnen der Schaff-
ner zu richten hatte. Auch hier waren die Speisen vor-
geschrieben: „ein kalbskopf oder ein krös und fuß, dazu
ein suppen und fleisch daruf und brot und win . . .“8 1539
wurde dieser schöne Brauch „durch Ein Ehrsamen Rath“
wieder abgeschafft9.

1 Jos. Braun, Die Reliquiare (Freiburg 1940) S. 55 ff.

2 I. Schroth a. a. O. S. 31, Nr. 30; H. J. Heuser a. a. O.
S. 109 f.

3 P. P. Albert, Urkunden und Regesten zur Gesch. des
Freiburger Münsters, in: Münsterbl. 5. Jg. (1909) S. 78,
Nr. 198.

4 H. Schreiber, Geschichte und Beschreibung des Mün-
sters zu Freiburg i. Br. (1820) S. 237 f.

5 MA., Inventar von 1583.

6 MA., Anniversar 1, pag. 121 bff; Albert, Dienst-
anweisungen und Bestallungen, in: Münsterbl. l.Jg.
(1905) S. 89.

7 MA., Anniversar 1, pag. 9; Albert a. a. O. S. 84.

8 MA., Anniversar 1, pag. 12; Albert a. a. O. S. 85.

9 MA., Anniversar 2, pag. 359.

5. RELIQUIEN SCHREIN CHEN Oberrhein um
1300 (Abbildung 22)

Lindenholz, geschnitzt und gefaßt.

Höhe = 11,8 cm, Breite = 19,7 cm, Tiefe = 77,7 cm

Als die Münsterpfleger Hans Rotlieb, der Zunftmeister
Hans Heyninger und Conrad Hertwig im Beisein des
Schaffners Niclaus Holderman am 22. Mai 1483 den
Münsterschatz überprüften, zählten sie fünf hölzerne
Reliquiare. „Item ein alten hiilzen sark mit vil heiltum . . .
Item aber ein alter hülzer sark. Item drei alt serg von holz,
do heiltum inne ist.“1 Von all diesen Schreinen hat sich
nur der eine erhalten, wahrscheinlich weil er Reliquien
vom Grab des hl. Alexander birgt, die 1650 nach Frei-
burg übertragen wurden. Eine auf seinem Deckel auf-
gemalte Inschrift des 17. Jahrhunderts „Amplex und
Stein von dein Grab S. Alexandri zuo Rom“ weist darauf

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