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— 148 —

verschmäht es ja überhaupt ganz, uns einen tieferen Ein-
blick in ihr Enipfindungsleben zu gestatten; wir sehen es
nur, wie es sich in der Natur und in ihrer liebevollen
Schilderung derselben widerspiegelt. Wir müssen schon
viel ergänzen und zwischen den Zeilen lesen, um uns
aus ihrer kurzen Erwähnung der Hochzeit ein Bild zu
machen, wie voll von stürmischer Bewegung diese grofse
Seele war. „Montag, 4. Oktober. Mein Bruder mit Mary
Hutchinson vermählt. — — Ich sah sie die Allee zur
Kirche hinuntergehen; ich hielt mich so ruhig icli konnte;
doch als man mir sagen kam, dal's es vorbei sei, hielt
ich es nicht länger aus, warf mich aufs Bett, wo ich
stille lag und nichts mehr sah und hörte, bis Sara kam,
um mir zu sagen: Sie kommen. Dies zwang mich vom
Bette, und ich stürzte fort, schneller, als meine Kräfte
mich trugen, bis ich an meines Bruders Halse hing."

Weit weniger aber wissen wir von Wordsworth
selbst. Wir haben aus späterer Zeit aufser jenem ersten
Gedichte noch manche tief empfundene Zeilen und viele
Äul'serungen, welche zeigen, wie teuer ihm diese Frau
war, wie dankbar er ihren Wert anerkannte. Als er
einst seine Freunde bat, ihm von den taktlosen „Erinne-
rungen" De Quinceys nicht zu reden, erlaubte sich
Crabb-Robinson die Bemerkung: De Quincey habe
darin ausgesprochen, dal's er eine bessere Frau habe, als
er verdiene. „Hat er das", rief der Dichter lebhaft aus,
„dann soll ihm alles andre vergeben sein." Doch aus
jener Zeit der Werbung, die sonst nicht nur für Dichter
eine fruchtbare Periode des dichterischen Ausdrucks der
Empfindungen ist, besitzen wir nichts von ihm. Man
erzählt von Dorothy halb im Ernst, halb im Scherz,
dafs sie sogar seine Liebesbriefe habe schreiben müssen;
 
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