Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
— 208 —

in doppelter Spiegelung ein geistiges Fluidum von dem
menschlichen Gemüte zu ihr ausgeht und von ihr wieder
zurückkehrt zur Seele des Menschen: im Allegro die Flut
der Freude, im Penseroso der dunkelüberschattete Strom
der sinnenden Melancholie. Steht Milton schon durck
diese Art der Auffassung für seine und die folgende Zeit
einzig da, so hat er durch den Eeichtum seiner Bilder,
durch seine Fähigkeit, die Natur von allen Seiten zu be-
leuchten, ihr jeden Zug abzulauschen, der in sein die End-
punkte des Empfindens umfassendes Gemälde hineinpafst,
seinen Nachfolgern alles vorweggenommen, was auch sie
hierüber hätten sagen können. Sie mufsten sich begnügen
immer neu aus dieser unyersieglichen Quelle zu schöpfen;
und Wordsworth hat nicht Unrecht, wenn er etwas zu-
sammenfassend sagt: Von Milton bis Thomson habe die
englische Dichtung kein neues Bild aus der Natur verwertet.

Die nächste, die klassizistische, Zeit konnte nun frei-
lich mit diesem Schatze überhaupt nichts anfangen. Die
Ziele ihrer Dichtung lagen weit davon ab. Für die glatte
Schönheit der äufseren Form, wie sie ihre Dichter immer
raffinierter ausbildeten, pafste als Inhalt besser die geist-
reiche und satirische Plauderei, die Entfaltung des Witzes
und Verstandes als eine Seelenstimmung; und die Natur,
die eine solche Seelenstimmung wiederspiegelt, war ihnen
vollends fremd geworden. Für Pope und seine Zeit-
genossen war die Natur ein Begriff, ein Teil des Weltalls,
der Schöpfung und als solcher ein Objekt des Studiums,
nicht eine Quelle des Vergnügens für den Menschen und
eine Quelle der Anregung für die Dichtung.

Als jedoch in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts
die Liebe zum Landleben im englischen Volke wieder
erwachte und zugleich der Drang in ihm rege wurde,
 
Annotationen