Die Heilige Familie für Angelo Doni
Doni zweimal siebzig Dukaten erhalten hätte. Es ist derselbe Doni, dessen Porträt, samt dem
seiner Frau, Raffael wenig Jahre später gemalt hat, der in Donis Hause wohl aufgenommen
war; Gesichter, die wenig Neugier erweckendes für die Welt haben würden, wenn sie nicht
durch die Hand eines solchen Mannes der Vergessenheit entrissen worden wären. Dreißig
Jahre später ward Michelangelos Gemälde für zweihundertzwanzig Scudi weiterverkauft und
der Käufer hoffte mehr noch dafür wieder zu erhalten. Aus Lyon, wo dieser Handel damals
abgeschlossen wurde, muß es dann nach Florenz zurückgekehrt sein.
Was diesem Werke noch ein besonderes Interesse verleiht ist der Umstand, daß die Malerei Luca
und auch die Auffassung an einigen Teilen lebhaft an Signorelli erinnert. Und nun findet sich, Si^orellt
daß zu der Zeit gerade, wo Michelangelo aus Rom nach Florenz zurückkehrte, Luca Signorelli
im Dome zu Orvieto die Wandgemälde schuf, auf denen heute sein Ruhm zumeist beruht.
Orvieto liegt so sicher an der Straße von Rom nach Florenz, daß es nicht umgangen werden
kann: der Weg führt durch das Städtchen, und Michelangelo, den wir später als alten Bekannten
Signorellis wiederfinden, kann ihn dort bei der Arbeit getroffen haben. Diese Malerei muß
Eindruck auf ihn gemacht haben: wir würden das sogar annehmen, auch wenn wir keinen
Beweis dafür hätten. Michelangelos Heilige Familie aber liefert ihn in bester Form. Und nicht
diese allein: noch ein zweites Gemälde, freilich ein elend verdorbenes, unfertiges Stück, wird
heute Michelangelo zugeschrieben, das in jener Zeit entstanden sein kann und das eine noch
größere Verwandtschaft mit Signorelli bekundet. Es ist eine Grablegung, im Besitz der eng-
lischen Nationalgalerie. Die am besten erhaltene Figur, die eines Mannes, welcher den Leichnam
Christi in das Grab hinuntertragen hilft, ist eine bewunderungswürdige Gestalt.
Die Komposition weist schon deshalb auf Michelangelo hin, weil hier ein Versuch vorliegt, bei
einer Szene des Neuen Testamentes die typische Darstellung zu ignorieren und von fremder Seite
her etwas Neues zu geben. Das Motiv, den Leichnam Christi in schwebender Stellung tragen zu
lassen, war unerhört in der Kunst bis dahin und ist es auch in der Folge geblieben. Wie heidnisch im
tiefsten Herzen, was die Vermischung des rein Formalen anlangt, Michelangelos Jahrhundert
war, tritt hier in fast abschreckender Weise hervor. Das von ihm in dieser Grablegung aus-
gebeutete Motiv nämlich ist einer Komposition Mantegnas entnommen worden: einem Baccha-
nale, wo wir einen trunkenen Silen von zwei Faunen fast in derselben Weise fortgeschleppt sehen.
Wir wissen, wie tief religiös Michelangelo dachte und fühlte. Wenn er deshalb unbefangen
hier Mantegna benutzte, so liefert das eben nur den Beweis dafür, wie sehr Kirchliches und
heidnisches Altertum damals zusammenflossen und wie wenig man, wo es sich um Kunstformen
handelte, auf den Inhalt achtete, an dem sie zur Erscheinung kamen. Nicht anders ist es zu
erklären, wenn Raffael später dieselben Kindergestalten hier als Engel mit einer Maria und
dort als Amoren bei einer Venus erscheinen läßt.
Daß solche Arbeiten neben Michelangelos großen Schöpfungen zur Entstehung kamen, Apostelstatuen
darf nicht wundernehmen bei seinem Fleiße. Er war in unablässiger Tätigkeit. Eine ganz '"S""a
andere Aufgabe als diese einzelnen Werke boten, wurde ihm in der Bestellung von zwölf
Statuen der Apostel zu Teil, jeder vier und eine viertel Elle hoch, über welche dieselben Kon-
suln der Wollenweberzunft, für die Michelangelo den David arbeitete, im Frühling 1503 einen
Kontrakt mit ihm abschlossen. Ein Jahr gerade vor Vollendung des David. Die Leute kannten
ihn jetzt einigermaßen und erfanden ein geniales Mittel, ihn zuverlässig zu machen. Alle Jahre
sollte ein Apostel abgeliefert werden. Michelangelo würde auf Kosten der Besteller nach
Carrara gehen und die Blöcke auswählen. Der Preis bliebe dem Gutdünken überlassen. Dagegen
ginge mit jeder Statue ein Zwölftel des Eigentums an einem Hause auf Michelangelo über,
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Doni zweimal siebzig Dukaten erhalten hätte. Es ist derselbe Doni, dessen Porträt, samt dem
seiner Frau, Raffael wenig Jahre später gemalt hat, der in Donis Hause wohl aufgenommen
war; Gesichter, die wenig Neugier erweckendes für die Welt haben würden, wenn sie nicht
durch die Hand eines solchen Mannes der Vergessenheit entrissen worden wären. Dreißig
Jahre später ward Michelangelos Gemälde für zweihundertzwanzig Scudi weiterverkauft und
der Käufer hoffte mehr noch dafür wieder zu erhalten. Aus Lyon, wo dieser Handel damals
abgeschlossen wurde, muß es dann nach Florenz zurückgekehrt sein.
Was diesem Werke noch ein besonderes Interesse verleiht ist der Umstand, daß die Malerei Luca
und auch die Auffassung an einigen Teilen lebhaft an Signorelli erinnert. Und nun findet sich, Si^orellt
daß zu der Zeit gerade, wo Michelangelo aus Rom nach Florenz zurückkehrte, Luca Signorelli
im Dome zu Orvieto die Wandgemälde schuf, auf denen heute sein Ruhm zumeist beruht.
Orvieto liegt so sicher an der Straße von Rom nach Florenz, daß es nicht umgangen werden
kann: der Weg führt durch das Städtchen, und Michelangelo, den wir später als alten Bekannten
Signorellis wiederfinden, kann ihn dort bei der Arbeit getroffen haben. Diese Malerei muß
Eindruck auf ihn gemacht haben: wir würden das sogar annehmen, auch wenn wir keinen
Beweis dafür hätten. Michelangelos Heilige Familie aber liefert ihn in bester Form. Und nicht
diese allein: noch ein zweites Gemälde, freilich ein elend verdorbenes, unfertiges Stück, wird
heute Michelangelo zugeschrieben, das in jener Zeit entstanden sein kann und das eine noch
größere Verwandtschaft mit Signorelli bekundet. Es ist eine Grablegung, im Besitz der eng-
lischen Nationalgalerie. Die am besten erhaltene Figur, die eines Mannes, welcher den Leichnam
Christi in das Grab hinuntertragen hilft, ist eine bewunderungswürdige Gestalt.
Die Komposition weist schon deshalb auf Michelangelo hin, weil hier ein Versuch vorliegt, bei
einer Szene des Neuen Testamentes die typische Darstellung zu ignorieren und von fremder Seite
her etwas Neues zu geben. Das Motiv, den Leichnam Christi in schwebender Stellung tragen zu
lassen, war unerhört in der Kunst bis dahin und ist es auch in der Folge geblieben. Wie heidnisch im
tiefsten Herzen, was die Vermischung des rein Formalen anlangt, Michelangelos Jahrhundert
war, tritt hier in fast abschreckender Weise hervor. Das von ihm in dieser Grablegung aus-
gebeutete Motiv nämlich ist einer Komposition Mantegnas entnommen worden: einem Baccha-
nale, wo wir einen trunkenen Silen von zwei Faunen fast in derselben Weise fortgeschleppt sehen.
Wir wissen, wie tief religiös Michelangelo dachte und fühlte. Wenn er deshalb unbefangen
hier Mantegna benutzte, so liefert das eben nur den Beweis dafür, wie sehr Kirchliches und
heidnisches Altertum damals zusammenflossen und wie wenig man, wo es sich um Kunstformen
handelte, auf den Inhalt achtete, an dem sie zur Erscheinung kamen. Nicht anders ist es zu
erklären, wenn Raffael später dieselben Kindergestalten hier als Engel mit einer Maria und
dort als Amoren bei einer Venus erscheinen läßt.
Daß solche Arbeiten neben Michelangelos großen Schöpfungen zur Entstehung kamen, Apostelstatuen
darf nicht wundernehmen bei seinem Fleiße. Er war in unablässiger Tätigkeit. Eine ganz '"S""a
andere Aufgabe als diese einzelnen Werke boten, wurde ihm in der Bestellung von zwölf
Statuen der Apostel zu Teil, jeder vier und eine viertel Elle hoch, über welche dieselben Kon-
suln der Wollenweberzunft, für die Michelangelo den David arbeitete, im Frühling 1503 einen
Kontrakt mit ihm abschlossen. Ein Jahr gerade vor Vollendung des David. Die Leute kannten
ihn jetzt einigermaßen und erfanden ein geniales Mittel, ihn zuverlässig zu machen. Alle Jahre
sollte ein Apostel abgeliefert werden. Michelangelo würde auf Kosten der Besteller nach
Carrara gehen und die Blöcke auswählen. Der Preis bliebe dem Gutdünken überlassen. Dagegen
ginge mit jeder Statue ein Zwölftel des Eigentums an einem Hause auf Michelangelo über,
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