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Sammlung Torlonia) wollen wir die ganze Gruppe „Bürgerkronentypus“ nennen,
ohne damit aussagen zu wollen, daß dieser Schmuck auf diesen Typus be-
schränkt wäre.
Das Kolossalbildnis Torlonia ist ähnlich wie das Kolossalporträt Albani der
ersten Gruppe als „abweichend vom gewöhnlichen Typus“ empfunden worden
(Bernoulli 79 Nr. 30; 88). Der Grund liegt wie dort in dem überlebensgroßen
Maßstab, dazu hier auch an der geringen Qualität der Arbeit. An der Be-
nennung kann jedoch kein Zweifel herrschen: es kommt kein anderer Kaiser
des ersten Jahrhunderts in Frage. Die Stirn zeigt nicht die typisch traianische,
unten vorspringende Form, doch ist dieser Zug bei Kolossalporträts am leich-
testen zu entbehren, da der Betrachter das Gesicht in starker Unteransicht sah
und von diesem Blickpunkt aus die tiefen Augenhöhlen einen ähnlichen Ein-
druck hervorbringen wie sonst die Vorwölbung der Unterstirn. Auffällig und
selbst bei diesem Maßstab nur schwer erträglich ist die lineare Härte der Arbeit,
die überall peinlich deutlich wird. Versuche, die stoffliche Struktur der Haare
von der des Gesichts oder des Kranzes abzusetzen, sind nicht zu beobachten;
hier hat vielleicht die Farbe jene Unterschiede verdeutlicht, denen bald danach
in der hadrianisch-antoninischen Zeit das besondere Augenmerk der Bildhauer
galt. Die Züge sind etwas verallgemeinert, mehr wohl aus dem Unvermögen
des Bildhauers heraus als der Idealität der Erscheinung zuliebe. Immerhin wird
man dem Kopf eine gewisse monumentale Wirkung nicht absprechen wollen —
und wer kann wissen, ob nicht diese in irgendeinem architektonischem Zu-
sammenhang auch das Wichtigste war?
Taf. 13, a Das Kolossalbildnis im Louvre stammt aus der Villa Borghese und dürfte
daher wie der Kopf Torlonia in Italien gefunden sein. Er ist aus griechischem
Marmor gearbeitet und zeugt für das Können des Künstlers; mancherlei Züge,
die wir bald schärfer erkennen werden, deuten darauf hin, daß dieser in grie-
chischer Tradition gestanden hat. Die Zugehörigkeit zum gleichen Typus ist
durch die Haaranordnung gesichert; um so klarer werden uns die Unterschiede
der künstlerischen Leistung. Das Pariser Bildnis ist nicht so früh wie das Bildnis
Torlonia; in der physiognomischen Erfassung ist eine Stufe erreicht, die un-
mittelbar zum Dezennalienbildnis hinüberführt. Die Stirn ist unten vorgewölbt,
in der Mitte beim Ansatz der Nase am stärksten, gegen die Schläfen hin ab-
nehmend. Die Augen sitzen tief in ihren Höhlen, doch ist der Eindruck der
Tiefe durch die Zeichnung der Brauenbögen gemildert, die nach außen hin wie
in die Höhe geklappt sind und dort einen sanfteren Übergang in das Lid finden
als in der Mitte. Außen überschneidet das Oberlid das untere scharf. Das Auge
ist lang und ziemlich schmal und sitzt weich in seiner gut durchmodellierten
Umgebung. Die Wangen sind nicht gestrafft und großflächig wie beim Bildnis
Torlonia, sondern weich, fast schlaff und plastisch reich belebt und durch-
gearbeitet; in diesem Gesicht wirken die kräftigen Falten um die Mundwinkel
organisch und durchaus selbstverständlich, die Struktur der etwas haltlos
gewordenen Hautschichten ist meisterhaft herausgeholt. Auch der reich bewegte
Mund ist weich und stofflich, die schmale eingezogene Unterlippe geht kurz
und mit einer tiefen Einsenkung in das Kinn über, dessen kräftige Formen
einst nicht wesentlich anders ausgesehen haben mögen, als die moderne
Ergänzung annimmt. Vielleicht wird der Abstand vom Porträt Torlonia am
deutlichsten in der Zeichnung der Stirn; wo wir dort zwei harte tiefe Rillen

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