Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XII. SCHLUSSBETRACHTUN G

Überblicken wir die Strecke Weges noch einmal, die wir bis hierher gegangen
sind, so wird in der Gesamtschau manches klarer und sinnvoller, als es im Gang
der Untersuchung manchmal den Anschein haben mochte. Der Wert der
Schriftquellen erschöpft sich nicht in den wenigen kostbaren Bemerkungen über
die äußere Erscheinung Traians, sie geben uns auch wertvolle Hinweise auf die
Traiansdarstellungen vor allem nachtraianischer Zeit, Angaben, die durch den
monumentalen Befund nur sehr unvollkommen ergänzt werden; außer der
kopflosen Statue in Olympia und dem Kopf in Tarragona sind uns nur in den
Münzen des dritten bis späten vierten Jahrhunderts nachhadrianische Traians-
porträts erhalten. Die beiden Richtungen dieser Münzbildnisse, deren eine sich
auf echte Bildnisse beruft, während die andere ihr eigenes Traiansbild nach den
Idealen der eigenen Zeit schafft, hatten wir ausführlich betrachtet. Die Münzen
der traianischen Zeit gaben uns Aufschluß über allgemeinen Wandel der
Herrschervorstellung in dieser Zeit und über die verschiedenen künstlerischen
Strömungen in der Bildniskunst des Ostens, die ebenfalls durch den monumen-
talen Befund nur für die „griechische“ Gruppe ergänzt und bestätigt werden.
Die Untersuchung der Reliefs und der rundplastischen Bildnisse verhaft uns zu
einer Gruppenbildung innerhalb der Gesamtüberlieferung auf Grund der
jeweiligen „offiziellen“ Haartracht und zur Datierung der einzelnen Gruppen.
Dieser Gewinn ist nicht gering zu schätzen.
In der Kaiserzeit kennen wir nur verhältnismäßig wenige fest datierte Skulp-
turen, so daß die Porträts zum Aufbau der Stilgeschichte eines der wichtigsten
Hilfsmittel sind. Immer aber sind die zwei Jahrzehnte, die Traian regiert hat,
noch eine lange Zeit, innerhalb deren sich folgenreiche Entwicklungen vollzogen
haben können, so daß erst die Datierung der Bildnisse im einzelnen weiter-
gehende Klarheit schaffen kann. Nun steht Traian an einer Wende der Zeiten.
Politisch drückt sich dies darin aus, daß er einerseits der erste Provinziale auf
dem Kaiserthron war, andererseits der letzte spezifisch römisch-italisch orien-
tierte Kaiser. Er hat für ein halbes Jahrhundert zum letztenmal expansive
Außenpolitik getrieben und im Inneren das römische Bürgerrecht eifersüchtig
in seinem Wert zu erhalten gesucht und es nur selten an Provinziale verliehen.
Rein äußerlich drückt sich seine Haltung darin aus, daß er als letzter Kaiser für
mehr als ein Jahrhundert sich den Bart rasierte; seit Hadrian ist die Hinwendung
zum griechischen Osten in der Aufnahme des griechischen Philosophenbartes
auch äußerlich symbolisiert. Auch kunstgeschichtlich bedeutet die Zeit Traians
einen Abschluß und eine Wende. Das zu verstehen, müssen wir etwas weiter
ausholen.
Wir hatten oben bereits gesehen (68), wie die vielfältigen Strömungen der
römischen Kunst seit der Republik und Augustus sich unter den Flaviern zu

116
 
Annotationen