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Produzieren nicht durch die Erkenntnis, daß seine Figuren mit der Wirklichkeit nur
wenig übereinstimmen, rauben. Diese goldene Naivität den Kindern so lange als
irgend möglich zu erhalten, ist eine der feinsten Künste der Erziehung in Schule und
Äaus und gelingt nur einem wahrhaft künstlerischen Takte.

Das Zeichnen im zweiten und dritten Schuljahre.

^fHurde beim Zeichnen im ersten Schuljahre wenig oder keine Rücksicht auf die
geringere oder größere Kompliziertheit der Gegenstände genommen, so soll nun-
mehr der Gang der Äbungen allmählich ein mehr synthetischer werden und die Negel
„Vom Leichten zum Schweren" in ihr Recht treten. Wir wählen Gegenstände, welche
die Kinder lediglich aus Grund ihrer sachlichen Kenntnis ohne perspektivisches Können
und Wifsen so darstellen können, daß die Bilder verständlich wirken. Die einsachste
Form des Bildes, welche jeder Mensch von einem Dinge im Bewußtsein hat, ist das
sogenannte orthogonale Vorstellungsbild. Es entspricht in der Regel dem
geometrischen Aufriß oder Grundriß des Gegenstandes. So stellen wir uns z. B. ein

Äaus so , eine Kiste so j^ vor, indem wir die Tiefenausdehnung aus der

Vorstellung eliminieren. In anderen Fällen sehen wir von der Äöhe ab; so ist z. B.
eine Rosette das Symbol einer Blüte, deren Aufsicht am charakteristischsten ist. Wir
werden nun zunächst in dieser Weise zeichnen lassen und suchen Gegenstände aus der
Amgebung des Kindes zusammen, welche sich bequem in der gekennzeichneten Art
darstellen lafsen, ohne daß der Schüler dadurch in einen Widerspruch mit seinen
optischen Erfahrungen gerät. Das perspektivische Gesühl des Menschen ist, wie auch
die langsame Entwickelung der Perspektive in der Malerei beweist, von Natur sehr
gering entwickelt, und erfahrungsgemäß ist beim Kinde vor dem zehnten oder elften
Iahre weder ein Bedürfnis nach perspektivischer Darstellung noch auch der Verstand
für perspektivische Belehrung vorhanden.

Die Gegenstände müfsen demnach so beschaffen sein, daß ein orthogonales Vor-
stellungsbild von ihnen mit Leichtigkeit zustande kommt. Das Gebiet dieser Objekte
ist groß genug. Zunächst rechnen in erster Linie dazu alle flachen Gebilde mit geringer
dritter Ausdehnung, die nicht von Belang ist, z. B. die Schere, der Neifen, das
Schreibbuch, die Säge, das Psianzenblatt. Dann kommen alleDrehkörperin Betracht,
die Welt der Gefäße, die als Silhouetten gut wirken und ihre Schönheit am stärksten
im Profil entfalten. Endlich liefern alle jene Gegenstände, die sich dem Bewußtsein
in einer Ansicht besonders stark einprägen, geeigneten Äbungsstoff, z. B. das ddaus,
deffen Frontseite, der Stuhl, dessen Seitenansicht charakteristisch ist.

Bei der großen Auswahl, die uns zu Gebote steht, ist es Psiicht des Lehrers,
die Wünsche der Kinder, in welchen sich die Neigungen ihres Alters und Geschlechtes
ausdrücken, möglichst zu berücksichtigen. Die im Lehrplan angeführten Gegenstände sind
 
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