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Vorwort.

(>)aum ein Llnterrichtsgegenstand der allgemein bildenden Schule besckäftigt heute die
^ V Lehrerschaft so sehr wie das Zeichnen. Ganz neue und vertiefte Auffafsungen
von Zweck und Methode des Zeichenunterrichts kämpfen um ihre Anerkennung. Das
im Lehrprogramm aller Schulen zuunterst rangierende Fach, welches selbst nach der
Ansicht „berufener" Fachleute, von Pädagogen, dem Schönschreiben am nächsten stehen
soll, weil das Zeichnen ebenso wie dieses eine Geschicklichkeit der Äand sei, dieses
technische Fach „unter dem Strich" beansprucht mit einem Male gewürdigt zu werden
wie der Llnterricht in der Muttersprache! Sowohl auf dem Kunsterziehungstage in
Dresden 1901 als auch auf dem internationalen Kongreß zur Förderung des Zeichen-
unterrichts in Bern 1904 wurde das Zeichnen als ein Äaupt unterrichtsfach der allgemeinen
Erziehungsschule reklamiert. Noch liegt dieses Ziel in weiter Ferne. Ob wir uns
ihm nähern werden, das hängt ab zum Teil von der Fähigkeit der Lehrerschaft, aus
dem Zeichenunterricht diejenige Schule des Sehens, des Geschmackes und der graphi-
schen Ausdrucksfähigkeit zu gestalten, wie sie den — wirklichen und originellen —
Llrhebern der neueren „Ideen über Zeichenunterricht" vor Augen stand und noch steht.
Andererseits aber wird diese Disziplin durch eine Reihe äußerer Faktoren in ihrem
Gedeihen beeinflußt. Gegenwärtig zwar fehlt es ihr troh aller wohlgemeinten und
förderlichen Maßnahmen der Llnterrichtsbehörde noch an derjenigen Fülle von Licht
und Wärme, die zu einem lebensfreudigen Gedeihen des jungen Zweiges am alten
Baume der Schule notwendig ist. Wir wollen hier nicht in das Klagelied einstimmen,
daß der Zeichenunterricht nicht aufkommen könne gegen die vielen ihm in den Weg
geworfenen Äindernifse. Eine Sache, für welche die bedeutendsten Männer der Wissen-
fchaft, der Technik und der Kunst mit offenem und freudigem Bekenntnis eintreten,
ist gewonnen und muß sich durchsetzen.

Welche Linie zeigt die bisherige letzte Entwickelung des Zeichenunterrichts, und
wohin weist ihre Kurve?

Wir wollen nicht zu weit zurück greifen. Nach der großen und offen einge-
standenen Niederlage des deutschen Gewerbes und der Zndustrie auf der ersten Welt-
ausstellung in London im Zahre 1852 schritt man zur Gründung von technischen und
kunstgewerblichen Schulen. Von der Ausbildung des Nachwuchses im Zeichnen erhoffte

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