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Geraden. Bei der Auffaffung und Darstellung einer Form betätigt sich nicht allein
das Auge und der Verstand, sondern ebenso das Muskelgefühl. Daher ist auch die
geometrische Betrachtungsweise ausgeschloffen, selbst geometrische Bezeichnungen als
Kreis, Ellipse, Äalbmesser, Quadrat u. a. sollten gemieden werden. Wenn das Kind
einen Neifen zeichnet, so soll es gar nicht auf den Gedanken kommen, daß es einen Kreis
zu machen hat, dessen Peripherie überall von dem Mittelpunkte gleich weit entfernt ist;
es untersucht vielmehr, ob der Reifen beim Nollen gleichmäßig läuft, oder ob er holpert.
Diese Betrachtung lenkt sein Auge und Gefühl auf die „unebenen" Stellen, die zu
weit heraustreten, oder die nicht weit genug herauskommen. Es ist immer sachlich.

Will man die Äbungsbeispiele durchaus gruppieren, so möge man folgendes
Schema beachten:

I. Krummlinige Formen:

1. Langrunde Formen: Beispiele: Pslaume, Kette, Stachelbeere, Zitrone, Brille.

2. Eirunde Formen: Ei, Blätter vom Apfelbaum, Wegerich, Eichel, Löffel.

3. Kreisrunde Formen: Reifen, Rad, Llhr, Schießscheibe, Ball.

II. Gradlinige Formen:

1. Rechteckige: Klassenbuch, Briefumschlag, Tafel, Fenster.

2. Dreieckige Formen: Triangel, Papierhut, Trichter, Giebel.

III. Gemischtlinige und sreie Formen:

Schild, Beil, Äammer, Messer, Sense, Äufeisen, Schloß, Spaten, Schere, Zange,
Trompete, Säbel.

Besonders betonen möchte ich, daß diese Dinge nicht einfach der Neihe nach
absolviert werden; die Zeichenstunde würde dadurch bald aus dem Nahmen des
gesamten Llnterrichts herausfallen als eine technische Stunde, gleichwie die Schreib-
stunde, in welcher das kleine v geübt wird. Das Zeichnen steht im Dienste der Geistes-
bildung und darf deshalb beanspruchen, daß es in steter Verbindung mit den geistigen
Znteressen der Kinder, die durch den übrigen Anterrichtsstoff im Gesinnungs- und im
Sachunterrichte geweckt und genährt werden, bleibe. Die Sense sollte nicht dann
gezeichnet werden, wenn sie dem Lehrplane gemäß „an der Neihe" ist, sondern um
die Zeit, wenn durch den übrigen Anterricht sür sie ein besonderes Znteresse geweckt
worden ist. Bei der Anlage des Gesamtlehrplanes sollte demnach auch das Stoss-
gebiet des Zeichnens eine gehörige Berücksichtigung erfahren. Dabei braucht die
Negel „gehe vom Leichten zum Schweren" nicht notwendig auf den Kopf gestellt zu
werden. Der Lehrer der Llnterstufe ist ja mehr wie jeder andere in der glücklichen
Lage, den ganzen Llnterricht konzentrieren zu können. Möge er auch einmal die
Zeichenübungen unter dem Gesichtspunkte der Konzentration im Llnterrichte regeln
und leiten. Dadurch wird ihm dieses „Fach" stets neu und anregend bleiben.

Das Znteresse aber des Lehrers, seine Arbeitsfreudigkeit springt auf die Klasse
über. Nicht nur an Kenntnissen und Fertigkeiten, sondern noch mehr an Znteresse,
Lust zur Arbeit, Freude am Produzieren muß er den Kindern voran sein, wenn er
sie — omuia, 8ponto Iluant — nach sich ziehen will. Llnd die Zeichenstunde kann
eine rechte Freudenstunde werden, aber auch — eine Qual für Kinder und Lehrer. Der
temperamentvollste Erzieher ist sür sie gerade gut genug.
 
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