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Der Raddruck dieser 8 Räder beträgt insgesamt 55 500 kg und ihre grösste Anzugskraft
8540 kg. Die zur Zeit schwerste Doppellokomotive der Welt hat 16 Räder und iäuft auf
der mexikanischen Centralbahn. Sie hat ein Dienstgewicht von 113 500 kg, und die 12 ge-
kuppelten Treibräder allein haben 95 300 kg zu tragen. Die Anzugskraft der fdaschine be-
trägt 14 660 kg.
Der Lokomotivkessel, dessen Ronstruktion aus dem Modell klar ersichtlich ist,
muss so gross berechnet und bemessen sein, dass er auch während der Fahrt die zuni Be-
trieb der Maschine nötige Dampfmenge unbedingt und sicher liefert. Die stärksten Maschinen
brauchen in der Stunde 10 000 kg Dampf, eine vierachsige preussische Schnellzugsmaschine
bei 90 km Fahrgeschwindigkeit in der Stunde ca. 8500 kg und eine dreiachsige Güterzug-
maschine in der Stunde ca. 5500 kg Dampf. Bei dem noch immer mangelhaften Zustande
der Lokomotivfeuerung mit ihrem primitiven Planrost müssen auf ihm zur Erzeugung dieser
gewaltigen Dampfmengen unverhältnismässig viel Rohlen bester Qualität verbrannt werden,
und ist die grosse Dampferzeugung auch nur durch
eine grosse Heizfläche und durch künstliche Zugver-
stärkung in der Feuerung möglich. — Wir sind der
festen Überzeugung, dass gerade bei den Lokomotiven
die Anwendung der neuen Wegenerschen Feuerung,
die sich auch für Stückkohlenverbrennung eignet, nicht
nur die jetzigen Schwierigkeiten der Feuerungsverhält-
nisse beseitigt, sondern auch grosse Kohlenersparnis
unter Garantie erzielt werden könnte. Leider sind
aber alle Staatswerkstätten Neuerungen schwer zu-
gänglich, und es wird wohl diese gute deutsche Er-
findung auch erst den Weg über Amerika und Eng-
land zu uns finden müssen, denn hier ist Geld für
Versuche, selbst wenn durch Vorversuche schon der
Erfolg garantiert werden kann, nicht vorhanden —
es sei denn, dass es sich um Erfindungen handelt,
die in den Werkstätten der Staatsbahnen selbst das
Licht der Welt erblickt haben.
Die Leistungsfähigkeit der Lokomotive
ist das Produkt aus der Zugkraft Z und Geschwindig-
keit v. Sie hängt ab von dem Adhäsionsgewicht
der Lokomotive, von der Verdampfungsfähigkeit des Lokomotivkessels und von
den Hauptabmessungen der Maschine.
Drücken wir die Zugkraft der Maschine in kg, die Geschwindigkeit v in m aus, be-
zogen auf die Sekunde, und teilen das Produkt Zxv durch 75, so erhalten wir die Leistung
, ,r Zxv
der Lokomotive in Pferdestärken, also N— - .
75
Bei den Schnellzügen haben wir geringes Zuggewicht und erhöhte Geschwindigkeit,
und diese bedingt wieder grosse Treibraddurchmesser. Bei jeder Treibradumdrehung legt der
Zug eine Wegstrecke von der Länge des Radumfanges zurück, also 3,14x79. Man wird nun
die Schnellzugmaschinen, d. h. den Kolben bei Schnellzugmaschinen, immerhin mit einer
mittleren Geschwindigkeit arbeiten lassen und den Treibraddurchmesser möglichst gross
nehmen (in Deutschland 2 m), um einesteils keinen aüzu unruhigen Gang der Maschine zu
veranlassen, der leicht zu Unglücksfällen durch Entgleisung der Maschine (Springen) führen
kann, und andernteils würden sich bei schnellerem Gange der Maschine sowohl die Teile der
Maschine, als auch der Oberbau der Strecke wesentlich stärker abnutzen.
Der Lokomotivkessel besteht in her Hauptsache aus einem cylindrischen, von
einem Bündel enger Heizröhren durchzogenen Vorderteil, dem Langkessel, und einem kisten-

artigen hinteren Teile, der Feuerkiste. Diese enthält im Innern eine ähnlich gestaltete,
unten offene Feuerbüchse mit dem Rost, unter den der Aschenkasten gehängt ist. Liegen
alle Räder vor der Feuerkiste, wie in der Regel bei den Güterzuglokomotiven, so liegt auch
der Rost gewöhnlich wagerecht. Ist ein Räderpaar unterhalb der Feuerbüchse angeordnet,
was der Lastverteilung und des ruhigen Ganges wegen bei den Schnellzuglokomotiven und
manchen anderen üblich ist, so muss der Rost geneigt Iiegend eingebaut werden, falls man
nicht dem Kessel eine besonders hohe Lage giebt. An das vordere Ende des Langkessels
ist die durch eine Thür verschliessbare Rauchkamnier mit dem Schornstein angeschlossen.
In sie münden die Heizröhren sowie die Ausströmungsrohre des in den Cylindern verbrauchten
Dampfes. Unten ist sie gewöhnlich mit einem besonderen Aschenfallrohr versehen. Ober-
halb der Heizrohrmündungen ist ein Drahtsieb oder eine durchlöcherte Blechtafel (Funken-
fänger) gelegt, um das Aussprühen von Funken durch den Schornstein zu mildern. Seit
einigen jahren wird nach amerikanischem Vorbilde die Rauchkammer wesentlich länger
als sonst üblich war, gemacht, namentlich bei den-
jenigen Lokomotiven, die Iange Strecken zu durch-
fahren haben. Dadurch wird der Funkenauswurf
und das Verstopfen der unteren Siederöhren gemildert.
Die Ausströmungsrohre der Dampfcylinder
tragen oben in der Rauchkammer ein gemeinsames,
nach oben hin trichterförmig verengtes Mundstück,
das Blasrohr. Dieser an sich so einfache Rohr-
stutzen ist für den Lokomotivbetrieb von besonderer
Wichtigkeit. Infolge der Verengung der Ausströmung
erhält der in den Schornstein entweichende Auspuff-
dampf eine grössere Spannung, so dass er mit grosser
Geschwindigkeit aus der Blasrohrmündung entweicht
und dabei die ihn umgebenden Feuergase mit sich
fortreisst. Hierdurch tritt eine Luftverdünnung in der
Rauchkammer und damit in den Heizröhren und im
Feuerraum ein. Die atmosphärische Luft ihrerseits
dringt nun infolge ihrer grösseren Pressung kräftig
durch die Rostspalten in das Brennmaterial, giebt
ihren Sauerstoff an die Kohlenteilchen ab, erzeugt
dadurch eine lebhafte Verbrennung mit hoher Tem-
peratur und strömt, in Feuergase umgewandelt, durch die Siederöhren nach der Rauch-
kammer hin ab, um von hier mit dem Dampfstrahl durch den Ramin hindurch ins Freie
befördert zu werden. Man nennt diesen Verbrennungsvorgang eine Verbrennung mit künst-
lichem Zuge, im Gegensatz zu einer solchen mit natürlichem Zuge, den man durch hohe
Schornsteine bei feststehenden Dampfkesseln und sonstigen Feuerungsanlagen erzeugt. Beim
natürlichen Zuge kann nian auf 1 qm Heizfläche höchstens 20—30 kg verdampftes Wasser
in der Stunde rechnen, lässt aus wirtschaftlichen Gründen aber in der Regel nur 12—15 kg
zu, während man bei Lokomotiven 40—60 kg, ja bei den stärksten neueren Schnellzug-
lokomotiven selbst bis zu 65 kg Dampf stündlich auf 1 qm Heizfläche entwickeln muss.
Eine derartige starke Verdampfung kann nur durch künstlichen Zug erreicht werden.
Auch der Schornstein ist von erheblichem Einfluss auf die Feueranfachung. Diese
kann durch Verengern oder Erweitern desselben verstärkt oder verringert werden, desgieichen
durch Verlängern oder Verkürzen des Schornsteines, endlich auch durch Tiefer- oder Höher-
setzen des Blasrohres. Grundregel bleibt aber in jedem Falle die genaue centrale Lage der
Blasrohrmündung zum Schornsteinquerschnitt, sonst sinkt die Blasrohrwirkung erheblich herab,
und die Dampfentwickelung der Lokomotive ist wesentlich verschlechtert. Man sieht, die gute
Feueranfachung hängt von einer ganzen Reihe sorgfältig zu bemessender Grössen ab, und die


Fiinfachsige viergekuppelte Giiterzuglokomotive der preuss. Staatsbahnen.
(Hannoversche Maschinenbau-A.-G. vorm. Georg Egestorff).

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