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1. DAS MONUMENTALE ALTARBILD IN DER VIERUNGSKUPPEL
UND IN DER HAUPTAPSIS
Der Hauptgegenstand in der Ausstattung des katholischen Gotteshauses ist der im Zentrum der Kult-
handlung stehende Altar, auf dem in der Feier der hl. Eucharistie das Kreuzesopfer Christi erneuert
wird. Da der Nachvollzug dieses historischen Opfers von Anfang an den Höhepunkt der Kultfeier
bildete, nimmt der Altar als „geistige Mitte“ die wichtigste Stelle ein, sobald nach der staatlichen
Anerkennung des Christentums durch Konstantin die Errichtung öffentlicher, allein dem Gottesdienst
geweihter Bauten möglich ist1. Nach Ablösung des tragbaren Holzaltars durch die fixen Konstruktionen,
die sich im 5. und 6. Jh. allgemein durchgesetzt haben, wird der Altar zum dauernden „Zentral-
heiligtum, auch außerhalb der Liturgie“2.
Für die Anordnung des Altars im Kirchengebäude, das durch die auf ihm dargebrachte Meßhandlung
seinen Sinn erhält, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. In der Basilika bezeichnet er den Endpunkt
eines Weges, der zu ihm hinführt. Der dem Altar im Zentralbau zukommende Platz ist die Mitte des
Gebäudes, wodurch in der räumlichen Anordnung die geistige Stellung, die er im Kult innehat, zum
Ausdruck gebracht wird.
Tn den frühchristlichen und darauffolgenden Longitudinalbauten liegt sein Standort vor der Apsis,
oft in einem besonderen Raumabschnitt, der als Querhaus dem Hauptschiff vorgelagert ist und von
diesem durch den Triumphbogen abgetrennt wird. In der mittelalterlichen Baukunst des Nordens
kann der Altar im Außenbau eine Betonung durch den Altarturm erfahren3, dem in der italienischen
Architektur die sich seit dem 12. Jh. durchsetzenden Vierungskuppeln entsprechen. Wegen der mit
der Einführung des Chorabschnittes häufig erfolgenden Hinausverlegung des Altars aus der Vierung
befinden sie sich jedoch nicht immer, wie im Dom von Florenz oder in der Kathedrale von Siena, wo
diese Verschiebung erst im 16. Jh. stattfand, auch unmittelbar über dem Opfertisch. Die Regel ist
eher eine räumliche Trennung zwischen dem Altar und der Aufgipfelung des Baukörpers, die nicht
nur seinen Standort akzentuiert, sondern sich auch auf das Kirchengebäude als Gesamtkomplex
bezieht.
Auch bei Zentralbauten sind die Beispiele zeitlich und zahlenmäßig beschränkt, in denen der Altar
tatsächlich den von der Architektur geforderten Standort innehat. Verwirklicht finden wir dieses
Prinzip in Rotunden und Gebäuden von kreuzförmigem Grundriß4. Als Muster für einen Rundbau
des 4. Jhs. läßt sich die Anastasis zu Jerusalem anführen, in der die beiden zum Heiligen Grabe gehörigen
Altäre sich im Zentrum der von einer Kuppel überwölbten Kapelle befanden5.
Eine Anlage von kreuzförmigem Grundriß ist die um 381-87 für den Märtyrer Babylas geschaffene
Grabkirche zu Antiochia, dessen Grab und mit ihm der Altar im Schnittpunkt der vier gleichlangen
Kreuzarme angeordnet waren6. Ebenso verhielt es sich mit dem Altar in der gleichfalls kreuzförmigen
Apostelkirche Justinians zu Konstantinopel, dessen Standort in der Vierung unter einer erhöhten
Mittelkuppel angenommen wird7.
Die dort innegehabte Stellung bleibt dem Altar jedoch nicht lange erhalten. Bei der Hagia Sophia in
Konstantinopel, „dem grundlegenden gleichsam dogmatischen Schöpfungsbau der byzantinischen
Baukunst“, glaubt Bühlmann, daß für die Anordnung in einem östlichen Chorteil die Übernahme des
Altarplatzes aus der konstantinischen Basilika der Anlaß gewesen ist8. Sie begegnet als Regel in den
Kreuzkuppelkirchen, die Demus9 als den klassischen Typ der östlichen Kirchenbauarchitektur der
mittelbyzantinischen Zeit bezeichnet, dessen Ausbildung zwischen dem 6. und 9. Jh. erfolgt ist und
in der Unterbringung des Altars in einem gesonderten Chorteil eine Konzession an den Richtungsbau
bedeutet. Davon wird jedoch das in der Raumdisposition und der beherrschenden Stellung der mittleren
Kuppel liegende zentrierende Grundmotiv nicht berührt. Wahrscheinlich sind es vor allem Zweck-
mäßigkeitsgründe gewesen, die zu dieser Maßnahme geführt haben und in dem Wunsche bestehen,
die mit dem Altar verbundenen liturgischen Handlungen in einem gesonderten Raumteil unterzubringen,
dessen Abgrenzung zum Naos durch das gerade in dieser Zeit im Entstehen begriffene Templon gebildet
wird (vgl. unten S. 66 ff.).
Die zentrale Bedeutung der am Altar stattfindenden kultischen Handlungen verlangt nach einer Bezug-
nahme durch die bildliche Ausstattung des Kirchengebäudes. Sie erfolgt in besonderer Weise durch

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