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VORUNTERSUCHUNGEN

Einleitung
Die Aufgabe, die in dieser Arbeit gestellt ist, besteht in der Klärung der Voraussetzungen, die zur Entstehung
der seit dem 12. Jh. in der Toskana plötzlich auftretenden Tafelbilder geführt haben, deren Zahl schon
in den ersten Dezennien des Dugento sprunghaft schnell an wächst. Die mit dieser raschen Zunahme
sich verbindende Vielfalt in der Ausbildung von Typen, die ohne jede Parallele selbst in solchen
Ländern ist, welche wie Spanien1 oder Norwegen2 während des Mittelalters über eine umfang-
reichere Produktion von hölzernen Tafelbildern verfügt haben, legt die Frage nach ihrem Bestimmnngs-
zweck nahe.
Unter den für bemalte Holzpalen bestehenden Verwendungsmöglichkeiten kommt der als Altarbild
die weitaus größte Bedeutung zu. Die Tafelbilder können als Antependium oder Retabel dienen und
durch die auf ihnen dargestellten Gegenstände auf die kultische Besonderheit ihres Standortes Bezug
nehmen. Für die Verwendung von Antependien gibt es außerhalb der Toskana Beispiele, die bis in
das frühe Mittelalter zurückreichen. Ebenso treten schon frühzeitig über der Mensa angebrachte Ikonen
auf, welche eine Vorstufe der Altaraufsätze sind, die jedoch, besonders an Hauptaltären, erst in sehr
viel späterer Zeit festgestellt werden können. Im Hinblick darauf, daß sie auf dem altare maggiore in
größerer Zahl zuerst in der Toskana begegnen, wird es ein Hauptanliegen dieser Arbeit sein, die zum
Hochaltarretabel hinführende Entwicklung und die aus der neu übernommenen Funktion sich erge-
benden Konsequenzen aufzuzeigen. Da dieser Prozeß mit seinen Wurzelspitzen bis in die Anfänge des
Christentums hinabreicht, werden unsere Untersuchungen von hier ausgehen und sich etwa bis zum
Beginn des Trecento erstrecken.
Wir verfolgen somit den Weg des Tafelbildes von seinem ersten Auftreten in Form von kleinformatigen,
nur zögernd am Altar zugelassenen Devotionsikonen bis zu seiner Monumentalisierung als auf der
Mensa fest etabliertes Ausstattungsstück des altare principale.
Eine Spezialuntersuchung, die sich mit der Entstehungsgeschichte des italienischen Hochaltarbildes
befaßt, gibt es nicht. In seinem 1953 erschienenen Buch über die „Frühzeit der italienischen Malerei“
stellt Robert Oertel3 fest, daß sich die Anfänge der toskanischen Tafelbildkunst im Dunkel verlieren.
Wohl hat z. B. U. Rapp4 in seiner Dissertation die rasche Verbreitung von tafelbildlichem Schmuck
bereits mit dem Absterben der Wandmalerei, sowie der Zunahme subjektiver Frömmigkeitsformen in
Verbindung gebracht und damit auf wichtige Faktoren hingewiesen, die sich neben anderen Momenten in
unserer Untersuchung als bedeutungsvoll für die Entstehung des Hochaltarretabels herausstellen werden.
Die vornehmlich dem figuralen Schmuck geltende Arbeit Eckart von Sydows (1912)5 geht vom Ante-
pendium aus, dessen Vorstufeneigenschaft für den Altaraufsatz richtig betont wird6. Die italienischen
Retabel des 13. Jhs. jedoch, von denen v. Sydow nur wenige erhalten glaubt7, sind ihm aber, der damals
auf diesem Gebiet bestehenden Forschungslage entsprechend, bis auf einzelne Stücke unbekannt
geblieben. Mit den außerformalen Voraussetzungen für die Entstehung des Retabels, als dessen Haupt-
ursache er das „ästhetische Gefühl für den in die Höhe strebenden Rhythmus“ nennt8, beschäftigt
sich v. Sydow nicht.
Diese Frage spielt auch bei Bunjes9 eine geringe Rolle, dessen Dissertation (1937) sich im betreffenden
Abschnitt fast ganz auf die Beschaffenheit der französischen Steinretabel beschränkt.
In dieser Hinsicht ist das die gesamteuropäische Entwicklung bis zum Barock einbeziehende, schon
vor Bunjes erschienene Werk von Josef Braun (1924) die noch heute grundlegende Arbeit, insofern
das Retabel als Teil der Ausstattung des Altars behandelt wird und auch in einer liturgiegeschichtlich-
archäologischen Untersuchungsweise die Frage nach dem die Verwendung von Dossalen erst ermögli-
chenden Stellungswechsel des Priesters mitberücksichtigt ist, der ursprünglich hinter der Mensa stehend
zelebrierte. Da es sich bei dieser wichtigen Änderung, die in Italien nicht nur für den gewöhnlichen
Geistlichen, sondern auch für die Person des Bischofs geklärt werden muß, der diesen Platz hier viel
länger behauptet, nur um eine zu erfüllende Voraussetzung, nicht aber eine das Retabel bedingende
Ursache handelt, bleibt die entscheidende Frage noch offen. Obwohl Braun10 bereits richtig über der
Mensa befindliche Aedikulenfresken als Vorformen des späteren Retabels in Betracht zieht, so fehlt

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