Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3. DAS BEWEGLICHE BILD AUSSERHALB DER TOSKANA

Für die Anfänge des christlichen Tafelbildes, dessen Auftreten sich mit Sicherheit bis in die Zeit
Konstantins zurück verfolgen läßt, verweisen wir auf die über den Zeitraum bis zum Einsetzen des
Bilderstreites sich erstreckenden Untersuchungen von Kollwitz1 und Kitzinger2 sowie auf die Arbeit
von Felicetti-Liebenfels3, der darüber hinaus die Gesamtentwicklung der byzantinischen Ikonentypen
behandelt.
Tafelbilder mit den Darstellungen Christi und seiner Heiligen scheinen zunächst hauptsächlich in
privaten Kreisen bestanden zu haben4 und erst allmählich in das Kirchengebäude zu gelangen, wo sie
vor allem durch das Mönchstum eine Förderung erfahren.
Einen besonderen Aufschwung nimmt die Anfertigung von Ikonen im 6. und 7. Jh.5 In dieser Zeit
beginnen feste Formen der Verehrung, wie Salbung, Proskynesis und das Mitführen in Prozessionen6,
nachweisbar zu werden. Eine wichtige Rolle spielen in der allgemeinen Verehrung die Achiropoiten7,
denen die Legende eine wunderbare, nicht von Menschenhand bewirkte Entstehung zuschreibt und
deren Kult auch durch den Bilderstreit nur eine Unterbrechung erfährt. Eine ähnliche Bedeutung hat
eine Gruppe von Bildern, die der Evangelist Lukas von der Muttergottes gemalt haben soll. Das Vor-
kommen solcher Ikonen bleibt keineswegs auf den Osten beschränkt. Als Achiropoite gilt die Salvator-
tafel in der Laterankapelle Sancta Sanctorum. Zahlreich sind die Beispiele von Mariendarstellungen,
die in Rom als „Lukasbilder“ verehrt werden.
Wir gehen nun daran, die außertoskanischen Formen und Typen unter dem Gesichtspunkt der Altar-
bildentwicklung zu betrachten, wobei wir natürlich, unter Berücksichtigung der zu Byzanz bestehenden
Beziehungen oder Parallelen, unseren Blick in erster Linie auf Italien richten müssen. Es wird deshalb
der Verzicht auf Vollständigkeit betont, da unsere Voruntersuchungen allein den Zweck haben können,
als Folie für die Darstellung der Entstehung des toskanischen Altarbildes zu dienen.
Salvatorikonen
Ein frühes Zeugnis für das Vorhandensein von Salvatorikonen ist der Brief des Bischofs Eusebius8
an die Schwester Kaiser Konstantins, in dem er ihre Bitte um ein Bild Christi abschlägt und damit die
in manchen kirchlichen Kreisen des Ostens bestehende Zurückhaltung gegenüber bildlichen Darstellungen
des Heilandes dokumentiert. Die Abneigung wird geteilt durch den Bischof Epiphanius9 (367-440),
der in der Kirche zu Anablatha (Palästina) einen Vorhang mit dem Bilde Christi oder eines Heiligen
zerreißt.
Trotzdem finden die Ikonen schon bald Eingang in die östlichen Kirchen. In der Form der Verehrung,
die ihnen seit dem 6. Jh. zuteil wird, finden sich viele Momente, die in dem für Kaiserbilder gültigen
Zeremoniell vorbereitet sind und insbesondere bei deren Versendung in die Provinzen zur Anwendung
kamen10. Als 554-565 eine Kopie des berühmten Kamulianabildes durch verschiedene Orte in Klein-
asien getragen wurde, um Geld für eine Kirche zu sammeln, erwies man ihr die gleichen Ehrungen,
wie sie für das Bild des Kaisers üblich waren11.
Eine direkte Anknüpfungsmöglichkeit für die Praxis des Altarbildes bot die Art der Aufstellung der
Kaiserporträts im Amtslokal12, wo vor dem auf einem Tisch stehenden Bilde zwei Kerzen angezündet
wurden (Abb. 31).
Es bedürfte einer eigenen Untersuchung, um festzustellen, inwieweit in byzantinischen Kirchen Tafel-
bilder retabelähnlich aufgestellt worden sind und die von Kollwitz13 geäußerte Behauptung von der
„Absage an das Kultbild in jeder Form“ nicht vielleicht doch, trotz grundsätzlicher Berechtigung,
gewisser Einschränkungen bedarf. Es scheint, daß dem Bilde im griechischen Raum nicht mit der Voll-
ständigkeit, wie Kollwitz es annimmt, der Platz auf dem Altar verschlossen gewesen ist.
Ein Beispiel für den Brauch, eine Ikone hinter dem Altar bei besonderen Gelegenheiten aufzustellen,
ist das seit 544 nachweisbare Bild von Edessa14, das, der Legende nach, Christus dem König Abgar gesandt
hat. Während die ältere Fassung der Legende vom Ende des 4. Jhs. berichtet, daß das Bild von Abgars

3

33
 
Annotationen