Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
8. TECHNISCHE FRAGEN
Das Problem der Aufstellung

Wir wollen nun noch die Frage behandeln, in welcher Weise die Retabel mit der Mensa verbunden
gewesen sind. Braun1, der sich bereits mit ihr befaßt hat, unterscheidet die freie Aufstellung auf der
Mensa, die Anordnung auf einem gesonderten Stipes, der sich hinter dem Altar befindet, sowie die
Aufhängung an der Wand. Bei den Altären, die der Wand vorgebaut sind, erwähnt er die Möglichkeit der
Befestigung auf einem zwischen Mensa und Wand aufgemauerten Sockel und die Einstellung in eine
Nische oberhalb des Altares.
Da Braun hier eine mehr grundsätzliche Unterscheidung trifft, die nicht auf einer speziellen Analyse
der italienischen Beispiele des Mittelalters beruht, bleibt noch zu untersuchen, welche dieser Möglich-
keiten in Italien vorwiegend Anwendung gefunden haben und inwiefern aus der Art der Aufstellung
Schlüsse auf besondere Wirkungsabsichten gezogen werden müssen.
Die einfachste Form der Befestigung von tafelbildlichem Schmuck ist die Anbringung an der Wand
hinter dem Altar, die jedoch deren unmittelbare Nähe zur Voraussetzung hat und aus diesem Grund nur
für Oratorien, Seitenaltäre oder kleine Kirchen in Frage kommt. Als Beispiel einer solchen Aufstellung
kann auf die Marienkapelle Gregors III. in Alt-St. Peter hingewiesen werden, in der die Ikone der
Muttergottes an dem Pfeiler, der die Stirnwand des Raumes bildete, oberhalb des Altars - analog den
Fresko- und Mosaikenretabeln - angeordnet war. Auch in Gebäuden wie der Kirche der hl. Margret in
Bisceglie bei Bari, wo der Abstand zwischen dem Altar (Abb. 224) und der Apsisrückwand nur 0,45 m
beträgt, kann die Befestigung noch von hier aus erfolgen. Da bei größerer räumlicher Distanz, die
für die altari principali die Regel bedeutet und nicht selten auch bei Seitenaltären gegeben ist, der
Wirkungszusammenhang von Tafelbild und Altar eine zu starke Beeinträchtigung erfahren würde,
entsteht hier die Notwendigkeit, die Aufstellung in anderer Weise als der eben genannten durchzuführen
und für die Befestigung über einem freistehenden Altar besondere Vorkehrungen zu treffen.
In Castel S. Elia bei Nepi befindet sich hinter dem rechten Seitenaltar ein ca. 1,59 m hohes Säulen-
fragment (0 0,38 m), das über der Mensa etwa 0,41 m aufragt (Abb. 240). Der obere Teil enthält einen
Kanal, in den eine insgesamt 16,5 cm lange und in der Mitte 13 cm tiefe Vorrichtung zur Aufnahme
eines Zapfens eingearbeitet ist (Abb. 239).
Die Breite dieses an den Ikonostasebalken in Capena (Abb. 242) erinnernden Falzes (7 cm), die der
Stärke von Tafelbildern einschließlich des Rahmens entspricht, macht es möglich, eine kleinere Ikone
oder ein Kreuz ohne zusätzliche Befestigungsmittel aufzustellen.
Diese freitragende Konstruktion, die von einem gerade zur Verfügung stehenden Fragment Gebrauch
macht, kann trotz des verhältnismäßig großen Aufwandes nur zur Aufnahme kleinerer Stücke dienen
und ist auch aus statischen und formalen Gründen mehr für plastische Bildwerke2 oder Schreine
(Abb. 238) geeignet. Darum wird man sich für die Aufstellung von Tafelbildern meist einfacherer und
zweckentsprechenderer Hilfsmittel bedient haben.
Die ersten Palen größeren Formats, bei denen sie auf freistehenden Altären bewerkstelligt werden
mußte, sind die Stücke der Antependientradition. Mit der Unterkante auf der Mensa ruhend oder noch
durch Stufen zur besseren Sichtbarkeit erhöht, können sie durch einen einfachen Pfosten gesichert
werden, von dem aus ein Metallbügel (wie er sich bei der Weltgerichtstafel erhalten hat, Abb. 227)
die Verbindung zur Tafel herstellt. In Assisi wird sie auf dem Tramezzobalken der Weihnachtsfeier von
Greccio mittels eines Seiles bewirkt, das durch Ringe gezogen ist, die sich auf der Rückseite des Tafel-
kreuzes und an dessen Stützbalken befinden (Abb. 86 und 248).
An der Pala in Vico 1’Abate (Abb. 123, 237) ist noch ein solcher Ring vorhanden. Er hat hier eine
länglich gestreckte, nicht ganz regelmäßige Form von ca. 0,36 x 0,25 m Größe. Die Befestigung solcher
Ringe erfolgt durch Metallschlaufen, die in das Holz hineingehen und auf der Rückseite umgeschlagen
sind. Die an der Vorderkante des unteren Rahmens schon genannten stärkeren Verschleißerscheinungen
scheinen durch die Neigung bedingt zu sein, in der das Bild sich wie die auf den Fresken in Assisi
dargestellten Palen befunden hat (Abb. 86f.).
Von beinahe ebenso einfacher Art ist die Befestigung der Flachdossalen und Polyptychen. Auf der
Rückseite des oben rekonstruierten Retabels in SS. Eufrasia e Barbara zu Pisa (Abb. 105f.) finden

155
 
Annotationen