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2. DAS ALTARBILD IN RETABELÄHNLICHER FUNKTION
IN GESTALT VON FRESKEN UND MOSAIKEN
Bei den mit dem Altar in unmittelbarer räumlicher Beziehung stehenden Bildern sind zwei Haupt -
formen zu unterscheiden. Während die eine sich direkt aus der monumentalen Dekoration herleitet,
entsteht die andere wie das Devotionsbild in Seitenschiffen, Kirchenwinkeln und kleinen Andachts-
räumen. Wir wenden uns zunächst den in der Tradition des repräsentativen Altarbildes stehenden
Fresken zu, die sich von den zuletzt Genannten dadurch unterscheiden, daß nicht ein einzelnes Bild die
Funktion eines „Retabels“ erhält, sondern das System selbst in die Nähe des Altars rückt. Die in den
großen Basiliken bestehende Distanz wird in den kleinen Kirchen und Kapellen aufgehoben, wo die
räumliche Beschränkung zu einer Zusammenziehung des Systems zwingt und eine direkte Verbindung
von Altar und Bild herbeiführt. Im Hinblick auf die Typen der beweglichen Bilder interessieren uns vor
allem die Art, in der die Reduktion durchgeführt wird, sowie die Gegenstände, auf die man sich kon-
zentriert. Im Tempietto zu Pissignano bei Spoleto (Abb. 9), in der Nähe der Clitumnusquellen, beschränkt
sich die Dekoration der Apsis auf die drei Hauptfiguren monumentaler Systeme, den Salvator in der
Kalotte und die Brustbilder Petri und Pauli in den quadratischen Feldern neben dem Tabernakel, welche
den Kreuzstab bzw. ein Buch halten. Deichmann1 nimmt an, daß die Malereien noch dem 8. Jh. an-
gehören, weist aber darauf hin, daß bei der Aufdeckung der Fresken Veränderungen am Salvator und
in den Gesichtern der beiden Apostel vorgenommen wurden. Bei den Apostelfürsten sind diese Über-
malungen inzwischen wieder entfernt worden. Von der übrigen Ausstattung haben sich noch eine croce
gemmata2 zwischen zwei Engelmedaillons über dem Giebel sowie Baumdarstellungen an der Wand
neben der Nische erhalten.
Die gleiche Figurenzusammenstellung, welche neben den stehenden Apostelfürsten noch als Stifter
den Frater Romanus zeigt, wird am Anfang des 13. Jhs.3 in der kleinen Ädikula über dem erneuerten
Altar der Gregorskapelle des Sacro Speco zu Subiaco wiederholt (Abb. 10). Die Malerei in der Nische
hat hier jedoch nicht die über den Raum dominierende Stellung, da sie als Bestandteil in ein Programm
eingefügt ist und wegen der faktischen Kleinheit des Standorts fast noch zurücktritt vor der Kreuzigung
in dem darüberliegenden Lunettenfelde.
Eine weniger starke Form der Reduzierung des Apsidenprogramms und darum eine engere Bindung an
die monumentalen Bildkompositionen ist bei einem Beispiel des 12. Jhs.4 in der Apsisnische an einer in
neuerer Zeit in einzelne Kammern unterteilten Galerie fest zustellen, die sich in Höhe des zweiten
Katakombengeschosses bei der unterirdischen Basilika von S. Ermete an der Via Salaria vetus in Rom
befindet5 (Abb. 11). In der Konche erscheint zwischen zwei Engeln die Halbfigur des Salvators, in dessen
aufgeschlagenem Buch die Worte „EGO SUM PASTOR BONUS ET CO“ (gnosco oves meas)6 zu lesen
sind. In der Mitte der Rückwand der 2,32 m hohen, 1,65 m breiten und 0,85 m tiefen Nische thront, wie
in der Apsis einer Basilika, die Maria Regina. Neben ihrem Thron stehen die beiden Erzengel sowie
sechs Heilige, von denen der Evangelist Johannes, S. Ermen und S. Benedetto identifiziert werden
können. Die Anwesenheit des Letzteren deutet auf den benediktinischen Ursprung dieser Fresken, der
sicher anzunehmen ist, obwohl Josi7, der die Malereien mit diesem Orden in Verbindung bringt, eine
Benediktinergemeinschaft bei S. Ermete nicht hat feststellen können. Vom ursprünglichen Altar hat
sich noch der Stipes erhalten. Er steht innerhalb der Apsis und befindet sich mit seiner Vorderkante
dicht vor der Fluchtlinie der Wand. Der Block, der in seinem oberen Teil ein querrechteckiges Sepulchrum
von etwa 19x16 cm Kantenlänge enthält, ist etwa 1,04 m hoch (Breite 0,59 m, Tiefe 0,37 m) und
reicht bis etwa zur unteren Grenze des Marienfreskos. Die Theotokos hat an der Rückwand, wie meist
in den monumentalen Dekorationen, nur die ihr zukommende zweite Stelle inne. Durch die enge Ver-
bindung mit der Mensa und die größeren Proportionen ihres Wandfeldes wird sie jedoch zum eigentlichen
Thema des Altarbildes, das mit einer Höhe von 1,52 m ein retabelartiges Format besitzt. Nicht auf-
gegeben wird jedoch die inhaltliche Unterordnung unter den Salvator, der als der im Range höher
stehende Gegenstand in größerem Maßstab dargestellt wird.
Mehrere Beispiele reduzierter Dekorationssysteme begegnen in der Gegend des oberen Etschtales zwischen
Trient und Meran, die zu den direkten Einflußgebieten der italo-byzantinischen Kunst gehört. Bei
den zwischen 1131-11808 entstandenen Fresken der Schloßkapelle von Hocheppan (Castel Appiano;

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